1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das bergische Land.
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Goldstücke verkaufte. In kurzer Zeit wurde im Wupperthale diese
Färbekunst zu einem solchen Grade der Vollkommenheit erhoben, daß
schon nach wenigen Jahrzehnten der Weltmarkt gewonnen, ja selbst der
türkische Markt erobert war Von nun an stieg die Bedeutung des
Wupperthals und damit die Zahl seiner Bewohner mehr und mehr.
Im Jahre 1815 hatte Elberfeld eiue Bevölkerung von 17,000, Barmen
von 15,000 Seelen. Dieselbe war im Jahre 1861 für beide Städte
zusammen auf mehr als 100,000 gestiegen, und diese Einwohnerzahl
hat sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren um mehr als das
Doppelte gesteigert.
Die Großartigkeit der Industrie des Wupperthals und dessen reger
und ausgedehnter Verkehr treten uns besonders nachdrucksvoll entgegen,
wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf einige Zahlenangaben aus einem
der jüngstverflossenen Jahre (1884) richten. In Elberfeld arbeiteten
allein für Zanella 2000 Webstühle, und der Wert der hier gefertigten
Webwaren wurde ans 130 Millionen Mark geschätzt. Die Schwester-
stadt Barmen bezog an Baumwollengarnen, welche in ihr zur Verar-
beituug gelangen sollten, etwa 3 Millionen kg. Nach ungefährer
Schätzung waren hier in der Bandwirkerei und Litzen- und Kordeln-
flechterei etwa 10,000, in der Knopffabrikation etwa 1200 Arbeiter
beschäftigt. — Während die Pferdeeisenbahn Barmen - Elberfeld über
4 Millionen Personen beförderte, langten auf den vier Eisenbahn-
stationen Elberfelds über eine Million, auf den sechs Eisenbahnstationen
Barmetis fast die gleiche Zahl von Reisenden an. An Briefen ver-
sandte die Doppelstadt nahe an 10 Millionen und empsing deren über
8^/2 Millionen. Das sind Zahlen, die beredt genug sprechen.
Eine solche Blüte der Industrie ist nicht bloß das Werk glücklicher
Umstände; sie ist das Ergebnis einer Arbeitsfreudigkeit und Thatkraft,
einer Umsicht und Geschicklichkeit, die sich von Geschlecht zu Geschlecht
segensvoll vererbt hat. Insbesondere waren auch die Fabrikanten des
Thales allezeit bemüht, sich die Geschicklichkeit Fremder anzueignen und
ihrer eignen Thätigkeit neue Bahnen zu brechen, wenn es auf den alten
Wegen nicht mehr fortgehen wollte. So lernte man in der Seiden-
fabrikation von Lyon, fah in der Baumwollenindustrie den Ostindiern
und deu Fabrikanten von Ronen Neues ab, setzte an die Stellen der alten
Handspinnereien rechtzeitig die in England erfundene Spinnmaschine,
führte ebenso später die Jacquardsche Webmaschine ein und ersetzte mehr
und mehr den Handbetrieb und die Hausindustrie durch die maschinelle
Fabrikarbeit. Neue Stoffe wurden gewebt, früher nicht gepflegte Seiten
des Gewerbfleißes angebaut, fo unter anderem die Herstellung von
Alizarin und Anilinfarben. Solcher Thätigkeit und Umsicht ist es zu
Verdauken, wenn man die beiden Schwesterstädte des Wupperthales
heutigestags mit freudigem Stolze „das deutsche Manchester" nennt.
Die immer mächtiger sich ausdehnenden Häusermassen haben von
dem grünen Thalgrunde ein Stück nach dem andern an sich genommen.
Thaleinsamkeit und Thalesstille sind verschwunden vor dem Gewühl der