1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die bayerische Hochebene.
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Zwischen Schongau und Weilheim liegt der kolossale Kegel des
hohen Peißenberges (1000 Meter), des „bayerischen Rigi", der nun,
da eine Eisenbahn an seinen Fuß fuhrt, häusig besucht wird. Seit
dreihundert Jahren krönt seinen Gipfel eine Wallfahrtskirche. Ein
stattliches Pfarrhaus, das auch Gäste ausnimmt, mit einem Lugins-
Land auf dem Dache, ein Wirtshaus, ein paar andere Häuser und ein
Kirchhof füllen die Platte aus, die eine bewunderungswürdige Fernsicht
gewährt. Der ganze Kranz der Alpen vom Säntis bis zum Watzmann
liegt ausgebreitet, mitten drin der Großglockner, der aus dem fernen
Kärnthen verschwimmend herüberschimmert. Über dem weiten Flachlande
erblickt das Auge den blauen Rücken des Jura und die waldigen Höhen
des Böhmerwaldes. In duftiger Ferne ragen die Frauentürme Münchens,
die Domtürme von Freising und die Ulrichskirche in Augsburg als
graue Marksteine auf.
Im Osten, wo die Ebene sich den Voralpen nähert, sind ebenfalls
höher gelegene Punkte nicht selten. Von den Alpen stürzen mit starkem
Gefälle die größeren Flüfse herab. Das Plateau ist mit Seen geschmückt,
den Resten jener großen Wasserflut, welche in der Vorzeit die ganze
Ebene bedeckte. Hunderte von kleineren Seen, Weihern und halb oder
ganz vertrockneten und versumpften Seekeffeln jeglicher Größe geben der
ganzen Gegend einen eigentümlichen Charakter. Die großen Sumpf-
und Moorflächen, Moose genannt, scheiden sich in zwei Hauptgruppen,
die durch eine von Westen nach Osten ziehende Hügelreihe getrennt sind,
in die nördliche der Moose des Donauthales wt6 die südliche der Moose
an den größeren und kleineren Zuflüssen der Donau. Übrigens findet
man sie auch an den Bergabhängen; auf den Bergplatten kommen sie
als Moore und Filze vor. Im bayerischen Gebirge und Hochlande ist
kaum ein Fluß, dessen Säume nicht irgendwo Moosgrund aufweisen,
und manche Eintiefung, wie Loifach-, Ammer-, Innthal- und Chiemsee-
becken, ist daran überreich. Durch Kanalisierung und Torfstiche sucht
man sie trocken zu legen; aber noch immer hat Bayern „mit ihrer
Urbarmachung innerhalb seiner Grenzen ein nicht unbedeutendes Fürsten-
tum zu erobern."
2.
Das Wasser des Chiemsees wallt unter dem Himmel, und die
wimmelnde Fläche zeigt das tiefe Blau, wie die sonnenliebenden Gen-
tianen, welche im Frühjahre die Rasen unseres Landes zieren. Er
selbst gleicht einem ungeheuren seuchten Kelche dieser Blüte, die aus
den aufgefangenen Lichtern sich blendenderen Lasurs saugt als die
Höhe des Himmels und der Berge. So trug ich sein Bild in mir.
Als ich aber das letztemal durch die buschigen Hügel schritt, welche
Prien von dem moorigen Strande trennen, knarrte der Schnee unter
meinen Füßen. Die Eisdecke des Sees lag da. Das Auge der Land-
schaft war tot, wie das eines Menschen, wenn die Linse im Star milch-
weiß erstarrt. Bläuliche Fußtapfen zogen sich in die Fläche hinaus;
*) = ein Mineral von tiefblauer Farbe.