1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
München,
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die altertümlichsten Gebäude der Stadt. Eine Ausnahme macht nur
das neuerbaute, im gotischen Stil aufgeführte Rathaus. Der „Alte
Hof" ist der noch erhaltene, nicht mit der königlichen Residenz in Ver-
bindnng stehende Teil der Hofburg, welche sich Kaiser Ludwig der
Bayer erbauen ließ. Von der Kirche zum Heiligen Geist aus gelangt
man in der Richtung gegeu die Isar uach dem schönen Jsarthor, welches
Kaiser Lndwig errichtet und Ludwig I. 500 Jahre später in seiner
ursprünglichen Bauart wieder hergestellt hat. Üeber eine der Jsarbrücken
führt der Weg nach der Vorstadt Au, welche der Fremde schon wegen
der im gotischen Stil erbauten schönen Pfarrkirche Mariahilf nicht
nnbefncht lassen darf. Neunzehn hohe Fenster mit den herrlichsten
Glasmalereien, welche die Geburt und das Leben der Jnngfran dar-
stellen, schmücken die Kirche.
Durch das Karlsthor gelangt man in der Richtung uach den
Bahnhöfen auf den Karlsplatz. Hier und auf dem benachbarten
Maximiliansplatze werden die zwei großen Dulten (Jahrmärkte) ab-
gehalten: die Dreikönigsdult und Jakobidnlt, von denen jede 14 Tage
dauert. Vor dem Karlsthor liegt der Glaspalast, welcher für Kunst-
und Industrieausstellungen benutzt wird. Auf der Therefienwiese, welche
vom Karlsthor aus in einer kleinen halben Stunde erreicht wird, steht
die Ruhmeshalle, aus Marmor vom Untersberge erbaut und die
Marmorbüsten solcher Mäuner enthaltend, die sich im Krieg oder Frieden
um das Vaterland verdient gemacht haben. Martin Behaim, Renchlin,
Sickingen, Peter Bischer, Eck, Fugger, Hans Sachs, Tilly, Pappenheim,
Fraunhofer, Cornelius sind unter ihnen. Auf der Therefienwiese erhebt
sich auch die Kolossalfigur der Bavaria, ein Meisterwerk Schwan-
thalers; sie hält in dec Linken einen Lorbeerkranz und hat den
bayrischen Löwen neben sich. Das aus türkischen Kanonen gegossene
Bildwerk ist 19 m hoch, der Zeigefinger desselben allein 92 cm lang;
Die ganze Figur wiegt mehr als 80 000 kg. Im Innern kann man
in die Höhe steigen, und in der Höhlung des Kopfes finden nicht
weniger als 6 Personen Platz.
Nicht weit von dem vorhin genannten Alten Hofe liegt das Hof-
bräuhaus, ein unscheinbares, niedriges, altertümliches Gebäude, das
von der buntesten Gesellschaft besucht wird. Im Hofraume sitzen hier
an Sommertagen die zahlreichen Gäste ans Bänken ohne Lehne, auf
umgestürzten leeren Fässern, die zugleich als Tische dienen. Dazwischen
drängt sich das zungenfertige „Radiwei" (Rettichweib) durch. Wer es
nicht verschmäht, seinen Krug am Bruunen selbst zu spülen und sich
selbst zu bedienen, findet hier den köstlichsten Trinkstoff und echt Münchener
Volksleben. Außer „Hofbräu" trinkt der Münchener auch fehr gern
„Salvatorbier", welches im Monat April Taufende der Stadtbewohner
nach der Vorstadt Au lockt.
Eine der schönsten Straßen Münchens ist die Ludwigsstraße.
Sie geht bis zum Siegesthor und ist mit den prachtvollen Bauten des
Architekten v. Gärtner gegiert. Zu den hervorragendsten unter ihnen