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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 174

1890 - Gotha : Behrend
174 Bilder aus den süddeutschen Landschaften. Hauptstadt, ja die Metropole aller biertrinkeuden Städre, als es mit seinen Kunsthallen, Palästen und Kirchen Apoll und seinen Musen huldigt und sich gern das deutsche Athen nennen läßt. Das Bier ist in Müucheu jedenfalls älter und ursprünglicher als die Kunst, und die Leidenschaft für den Genuß des braunen Gerstentranks ist ohne Zweifel der hervorstechendste Zug im bayerischen Volkscharakter. Freilich macht jetzt die Verehrung des Bieres so große Fortschritte, daß selbst im Weinlande Frankreich der Liebhaber dieses Gerstensaftes oon Tag zu Tag mehr werden; freilich braut man auch außerhalb Altbayerns echt „bayerisches Bier" — aber dennoch wird die echte Bierheimat immer in Bayern sein, da hier allein das Bier zu einem wesentlichen Stück der Lebenslust, mau möchte sagen des Lebens selber gehört. Hoch und niedrig, arm und reich findet im Bier den König aller Getränke, Alter und Gefchlecht machen in diesem Geschmacksurteil keinen Unterschied, die Damen halten es nicht minder für ehrenooll, hinter dem Bierkruge zu sitzen, als die Männer, und selbst an deu höchsten Feiertagen, in den vornehmsten Familien, in den frühesten Stunden des Tages wird das Bier jedem anderen Getränk vorgezogen. Sieh nur da (es ist Fronleichnamsfest) den reich besetzten Tisch mit ansgefuchten Weinen und Leckereien zum Frühstück, es sind Gäste ge- laden, und zwar sehr angesehene Gäste: man langt zu, aber ehe der Wein versucht wird, kostet man erst einige Schoppen Bier. Der Hand- Werksmann verzehrt sein Maß Bier täglich zum Frühstück, und selbst der Holzhacker weiß so viel zu erübrigen, um des Abends sein Herz am Nationalgetränk zu laben. Wenn der Bayer sein Land verläßt und in eine Gegend kommt, wo das Bier schlecht oder gar nicht zu haben ist, schnappt er wie eiu Fisch uach seinem Element, und das Heimweh ist zunächst und zu allermeist auf das Bier gerichtet. Es ist bekannt, daß im Jahre 1844 München eine Revolution erlebte, weil das Maß Bier um — einen Kreuzer aufgeschlagen war. Es wurden dabei viele Fenster eingeworfen und drohende Aufläufe gemacht. Das Bier schlug wieder ab, und man überließ sich anss Neue mit altgewohnter Seelenruhe dem Genüsse der goldbraunen schäumenden Flüssigkeit. Allerdings mußte der nur um einen Kreuzer gestiegeue Preis des Bieres tief in das Leben einschneiden; denn angenommen, daß ein guter Münchener täglich feine drei Maß Bier trinkt (was noch mäßig zu nennen!), so macht das eine Mehrausgabe von 21 Kreuzern die Woche, von 1 Gulden 30 Kreuzern (fast 3 Mark) den Monat. Sollten wieder die Preise plötzlich in die Höhe gehen, dann möchte ich kein Münchener Bierbrauer fein! Auf äußeren Komfort und Schönheit des Bierlokals sieht der Bayer nicht, wenn nur das Bier gut ist. Er spricht auch, während er Bier trinkt, am liebsten von diesem Bier. Wenn auch hier und da einmal gesuugeu wird, so werden die Zecher doch selten lustig dabei. Da ist nun wohl mancher schnell mit dem Urteil bei der Hand, an dieser Schwerfälligkeit sei eben das schwere Bier schuld, das Bier übe den größten Einfluß auf Temperament und Gemüt. Dem ist nicht so.
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