1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus den süddeutschen Landschaften.
schwarzen fränkischen Waldungen den Horizont. Das war eine Burg
und eine Aussicht, die deu Blick erweiterte und das Herz erhob, wie
geschaffen für ein zur Herrschaft berufenes Kaisergeschlecht! Welch eine
Menge von Höfen, Dörfern und Städten, die nah und fern bald mehr
bald minder versteckt mit ihren Türmen und schimmernden Dächern
und Zinnen vor Augen liegen! Ganz nahe, dem Anscheine nach nur
einen Steinwurf weit, ruht am uördlichen Fuße des Berges die Stadt
Gmünd, ebenso nahe auf der südlichen Seite in einem fruchtbaren Thale
das schöne Göppingen, die beide zum Besitztum der hohenstausischen
Familie gehörten. Ringsum erheben sich über die niedrigen Ortschaften
Vergschlösser in Menge und umgeben mit ihren Trümmern wie Vasallen
das ebenfalls gesunkene Haupt. Rechberg, Stanseneck, Helfenstein,
Ramsberg. Scharfeueck, Berneck, Drachenstein waren ehemals fre Sitze
blühender Geschlechter, deren Andenken sogar znm Teil verweht ist.
Auch das Stammhaus der Hohenstaufen ist läugft verschwunden, und
nur spärliche Mauerreste siud übriggeblieben von der alten Herrlichkeit.
In den Stürmen des Bauernkrieges 1525 haben rohe Hände den ehr-
würdigen Kaisersitz zerstört und auch das nahe Kloster Lorch, die Grab-
stütte des hohensiaufifchen Ahnhern, mit Feuer verwüstet. Weder
die Jungfrau Maria mit dem Jefnskinde über dem Portal, noch des
alten Kaisers Barbarossa steinernes Bild mit dem bloßen Schwert
hatten die Bauernhause:? vor der Zerstörung des Klosters znrückgefcheucht;
von den verglühenden Trümmern desselben zogen sie nach dem Hohen-
stanfen, auf desfen Gipfel die Kaiserburg lag mit ihren 2 m dicken und
sehr hohen Mauern aus Quaderstein und ihren vielen festen Türmen;
so schien sie gesichert gegen jeden Angriff; aber manches Jahrhundert
war über ihren Zinnen dahingegangen und die Burg baufällig ge-
worden. Deshalb wagten die zweiunddreißig Knechte, die darin lagen,
keine Verteidigung, als ein Hanfe von dreihundert Bauern in tiefer
Nacht den Berg hinanstieg, und während diese mit wildem Geschrei um
Thor und Mauer stürmten, warseu die Thorwächter in feiger Ver-
zweiflnng die Schlüffel vou deu Ziunen herab. So öffneten sich die
Angreifer felber die Burg und warfen nach gründlicher Plünderung
die Feuerbrände hinein.
Am Bergkegel liegt noch ein Dörfchen, welches den Namen Hohen-
stanfen trägt. Über einer Seitenthür der alten, neuerdings restaurierten
und mit Steinwappen gezierten Kirche steht die Inschrift: „Rio transibat
Cäsar, amor bonorum, terror malorum.", nebst einigen Reimen, die
auf den Kirchenbesnch des Kaisers Bezug haben. Auf der Mauer sieht
man sein verwittertes Freskobildnis gemalt. Die Thür ist zugemauert,
gleich als sollte nach dem Kaiser niemand mehr durch dieselbe eingehen.
2.
Mitten im schwäbischen Lande tritt aus dem Felsgebirge, welches
die Douan vom Nekar scheidet, hochragend der Zollern heraus, von
dem, in mittelalterlicher Schönheit neuerstanden, die Stammbnrg des
deutschen Kaiserhauses in das herrliche alte Alemannien hinabschant.