1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
202 Bilder aus den süddeutschen Landschaften.
Durch die mannigfachste Abwechselung von Felsentürmen und weichen
Matten kürzt sich der Weg, und bald blickt die altersgraue Burg
R a b e n e ck ernst in das Thal hinab. Sie liegt hoch und malerisch
auf starken Klippen, ist noch keine Ruine, sondern ein bewohntes Schloß,
wie auch das eine halbe Stunde weiter gelegene Rabenstein, wo sich
eine bedeutende Sammlung fossiler Knochen findet. Unweit Rabenstein
sind einige merkwürdige Höhlen: die König-Ludwig-Höhle, in deren
großartigem, erhabenem Dome der Boden das mehrere Fuß tiefe Lager
einer Erde darbietet, welche aus der Verwesung von Tausenden vor-
weltlicher Tiere erstanden sein soll: ferner die große Zoolithen-
höhle, voller Merkwürdigkeiten für Geologeu, in welcher sich nament-
lich die Überreste der ungeheuren, urweltlichen Tiere, des Mammuts
und des Höhlenbären, vielfältig finden. Von dem letzteren sind
bereits über vierzig Schädel aus dieser Höhle zu Tage gefördert
wordeu.
Dem Besuche der merkwürdigsten Höhlen, welche in den Umgebungen
der alten Burgruine Gaileureuth liegeu, muß ein ganzer Tag aus-
schließlich gewidmet werden. — Es giebt viele beschwerliche Dinge auf
Erden: der Zugang der Kappshöhle gehört zu diesem Durch Hilfe
eines Seiles muß man sich gegen 16 Meter hinablassen, um den hals-
förmigen Eingang der Höhle zu gewiuneu, der sich spiralförmig in fast
senkrechter Richtung noch über 39 Meter in die Tiefe hinabzieht. Ein
weites, mit den herrlichsten Tropfsteinfahnen und Wasserfällen verziertes
Gewölbe thnt sich hier dem staunenden Auge auf. Die Tropfsteinfahnen,
welche fast den Boden berühren, geben beim Anschlagen einen hellen
Klang. Überall hängen die Fledermäuse von der Gattung Huf-
eifennafe au den Felsen. Leider kann diese schöne Höhle wegen ihrer
Tiefe nur mit Hilfe eines Flaschenzuges und eiues sehr laugeu und
starken Seiles, und auch da nicht ohne Fährlichkeit befahren werden.
Die nicht gar weit entfernte Gailenrenther Zoolithenhöhle
ist, nächst derjenigen bei Rabenstein, die in jeder Beziehung merk-
würdigste. Drei bis vier Etagen wölben sich hier übereinander, und
jede dieser Etagen ist in verschiedene Kammern geteilt. Diese Kammern
sind angefüllt mit Überresten von Bären, Löwen, Hyänen,
Wölfen und Katzem Acht Nürnberger Metzen großer Zähne wurden
zusammengelesen. Welche Menge von Tieren muß hier ihr Grab ge-
suuden haben.
Auf einer anderen Wanderung kommen wir ebenfalls durch das
Wiesentthal, in welches die Bnrg Gailenreuth wie aus einem Verstecke
herabblickt. Bald darauf zeigt sich auf schwindelnder Höhe das Schloß
Göswe instein, welches, von unten betrachtet, in der That den An-
blick gewährt, als könne es von seinen Klippen in das Thal hinab-
stürzen. Wir erklimmen den Bergrücken und sind überrascht, auch ein
hübsches Städtchen auf dieser Höhe zu finden. Es hat eine Wall-
fahrtskirche, die stark besucht wird, und ein Kapuzinerkloster.
Das gut erhaltene Felsenschloß wird vom Städtchen aus auf einer
langen, hölzernen, überdeckte» Treppe erstiegen, und so überraschend