1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
2(14 Bilder aus den süddeutschen Landschaften-
Weiter abwärts bei Hanau gehört der Main schon der fruchtbaren
Rheinebene an, welche mit ihren Seitenbusen noch über den Main hin-
weg nordwärts in die Thäler der Nidda und Wetter hineinreicht.
6). v. Heringen und I. W. O. Richter.
11. Nürnberg.
In dem Worte „Nürnberg" liegt ein Zauber für das deutsche
Gemüt. Jeder kennt es von Kindheit an, und jeder bewahrt ihm ein
dankbares Erinnern. Nürnberger Lebkuchen und Nürnberger Spielsachen
haben uns gar manche Stnnde versüßt und vergoldet. Der kindlichen
Phantasie erscheint Nürnberg wie ein unerschöpfliches Magazin voll der
buntesten Bilderbücher, wie ein Eldorado mit den niedlichsten Häusern,
Bäumen, Pferden und Menschen, die man auspacken und einpacken kann,
und man muß gesteheu, daß es etwas Ähuliches auch ist.
Wenn man der Stadt vom Bahnhofe aus sich nähert und die
Mauern rings herum sieht mit Zinnen, Schießscharten, Bollwerk und
Türmen, die breiten Gräben und die hängenden Brücken; wenn man
die tiefen gewölbten Thore durchschreitet und den ersten Blick in die
Straßen wirft, dunkel und kühl von den Schatten der hohen, zackigen
Häuser: so wird man sich sagen, daß man hier eine Wirklichkeit vor
sich hat, die für das Auge des Erwachsenen bunter und märchenhafter
ist, als es alle Pracht und Herrlichkeit der Baukästen jemals für das
Kind gewesen. Noch lange bevor mau zu dem Eindruck des Einzelnen
gelangt, hat uns das Ganze in eine traumhafte Stimmung versetzt, die
uns plötzlich überkommt und uicht mehr verläßt, so lauge wir zwischen
diesen Häuseru, unter diesen Türmen, über diese Brücken wandeln.
Jede besondere Neignng und Vorliebe fiudet hier etwas, was sie
lebhaft auregt und beschäftigt. Der Historiker durchlebt hier noch einmal
die goldenen Tage deutscher Städtefreiheit, deren Glanz zurückfiel auf
des alten deutschen Reiches Herrlichkeit und sie vermehren half; ihn
grüßt noch der Reichsadler mit ausgebreiteten Schwingen von den
Thoren des Rathauses und den Teckengewölben der alten Burg. Der
Kuustfreuud begegnet den Schatten der großen Meister in Stein, Holz
und Erz; und nachdem er die Werke bewundert, mit denen sie diese
ihre Heimat geschmückt, weilt er sinnend vor der Figur Albrecht Dürers
und betritt ehrfurchtsvoll das Haus, welches ungefähr noch ebenso steht
wie damals vor vierhundert Jahren, wo Nürnbergs größter Sohn darin
wohnte. Dem Litteratnrkenner klingen die Weisen der Meistersänger
ins Ohr, wenn er die Pegnitz rauschen hört, und ein Zug von Pietät
wird ihn in jene kleine Gasse hinter der Frauenkirche führen, „Hans-
Sachfen-Gaffe" genannt, und vor ein Haus dariu, welches, mit einem
Gedeukfteiu geziert, die Inschrift trägt: „Hier wohnte Hans Sachs,
geboren am 5. November 1494, gestorben am 25. Januar 1576."
Diese Namen und diese Jahreszahlen, welche Schemen für uns waren,
so lange wir sie nur in den Büchern lasen, werden auf einmal lebendig
vor uns, sie nehmen etwas Körperliches und Handgreifliches an, was