1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus den mitteldeutschen Gebirgslandschaften.
Fürstenzeche zählte man in dieser Gegend noch dreizehn andere Gruben
auf Gold, Silber, Kupfer und Eifen. Allein Kriege und verminderte
Ausbeute verursachten das Erliegen dieses Bergbaus.
Es war natürlich, daß, als die Kunde der Aufsindung von Gold
in der Umgegend sich verbreitete, die Sage und das Märchen die
wunderbarsten Dinge erzählten. Man stellte sich den Fichtelberg wie
den Venusberg als einen einzigen, doch, da man von fern zwei hohe
Berge, den Ochsenkopf und Schneeberg, sah, den ersten mit zwei Gipfeln
vor und verschloß in dessen Bauch so das Gold, als die Ströme, als die
Edelsteine und Perlen, die man noch heute in einigen Bächen findet. Man
umgab den Berg mit einem Schlosse und gab die Schätze den Wahlen
oder Berggeistern zur Bewachung. Ja, als man sogar auf dem obersten
Gipfel des Ochsenkopfes eine Steinkohle und auf dem Boden einen gold-
gelben Sand fand, lockte der Berg manchen Abenteurer mit Schaufel und
Hacke aus weiten Gegenden herbei, nach dem Schatze zu suchen.
Reiche Kauslente versuchten sogar Schachte in den Gipfel zu schlagen,
und noch heute siedeln sich hier und da in den Wildnissen einzelne
Bergleute an, die an der alten Erzählung den Glauben nicht verloren.
Das ganze Gebirge war mit Sagen und Geistern bevölkert. Auf dem
kahlen Gipfel des Schneebergs, dem Ochsenkopf gegenüber, hauste eine
weissagende Sibylle, die eine Höhle in der Gegend, Sternseherin ge-
heißen, bewohnte, ein übermenschliches Wesen, das nur wenige bedenk-
liche Worte sprach und sich nur bei bevorstehenden wichtigen Ereig-
nissen sehen ließ. Ein snrchlbares Felsenlabyrinth, Nüssen oder Nuß-
hard mit Namen, führt zu dem Gipfel hinan, und wirklich trifft man
anf der obersten Granitplatte neun schüsselförmige Vertiefungen, die
so eingegraben sind, daß die größte derselben die Mitte einnimmt, die
übrigen aber im Kreise umherliegen. Wahrscheinlich hat dieser Felsen
in der heidnischen Vorzeit, die später als anderswo aus diesen Ge-
birgen wich, zu einem gottesdienstlichen Gebrauche gedient; selbst in der
Benennung Nüssen hat man den Namen einer Flußgöttin wieder-
finden wollen, die hier bei den Quellen großer Flüsse verehrt sein
sollte.
Das hohe Juteresse, das man früher an dem Fichtelgebirge nahm,
ist nun zwar in neuerer Zeit verschwunden, und wenn heute in dem
einsamen Gebirge des Geräusch des Bergmannes und das Pochen der
Schmelzhütten sich vernehmen läßt, so ist es in den gewöhnlichen
Eisen-, Vitriol-, Alaun- und Zinnbergwerken. Aber was das Gebirge
mehr als Höhenlage und Formeu auszeichnet, was ihm eine Frische,
eine Kühle und in seinem Innern ein unendliches Leben erzeugt und
dem, der einmal hineingedrungen ist, wirklich als die Werkstatt deutscher
Natur erscheinen läßt, wohin schon die von seinem hohen Rücken herab-
rinnenden Ströme deuten und worin nicht leicht ein anderes deutsches
Gebirge im Verhältnisse seines geringen Umsanges ihm gleichkommt,
ist der überschwengliche Reichtum an Gewässern und Quellen, die bald
in rauschenden Stürzen, bald in sanften Plätschern aus jeder Fels-
spalte heraus- und in jedes Thal hineindringen. Die Zahl der Bäche