1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus den mitteldeutschen Gebirgslandschaften.
Das Holz, welches man während des ganzen (Summers und im Winter
geschlagen hat, muß — oft von den höchsten Gipfeln und den steilsten
Kuppen herab, über die gefährlichsten Spalten und Abgründe weg —
fortgefchafft werden. Wohin man sieht, da klebt am Bergabhange ein
Mensch, da trägt ein Mensch, führt ein Mensch bis zu deu Stellen,
welche die mit Pferden oder Rindern bespannten Schlitten nur irgend
erreichen können.
Wie ganz anders ist das Bild im Sommer, wenn die Fremden
von Warmbrunn aus, dessen warme Schwefelquellen schon seit dem
zwölften Jahrhundert bekannt sind, und von anderen Orten her auf
das Gebirge und besonders auf die Schneekoppe wandern! Bald steigt
singend eine Schar munterer Studenten bergab, bald klettert ein Trupp
von Herren und Damen, die Hüte mit Teufelsbart und großzackigem
Moose geschmückt, weiter nach oben. Wie das Hochgebirge seine
eigentümliche, großartige Schönheit hat, so nicht minder das zu seineu
Füßen liegende Thalland. Nichts gleicht der Schönheit der mit der
Gebirgskette gleichlaufenden Thäler von Schmiedeberg, Zillerthal und
vor allem dem von Hirschberg-Warmbrunn, das, mit freundlichen
Städten, Dörfern, Schlössern und Fabriken übersäet, deute! vielen
Tausenden von betriebsamen Menschen zum Wohnsitz dient. Als Friedrich
der Große zum erstenmal von der Höhe des Schmiedeberger Passes
den Blick in die vor ihm liegende Ebene sandte, rief er ans: „Schlesien
ist ein Paradies!"
Im schlesischen Gebirge ist hentigestags eine großartige Judustrie
herrschend. In früheren Zeiten schuf nur der einzelne Weber dnrch
seine Handarbeit, jetzt haben Kaufherren und Fabrikbesitzer großartige
Webereien und Spinnereien in Betrieb. Und wie weit hat sich der
Gewerbfleiß nach verschiedenen Richtungen ausgedehnt! Glasfabriten, ans
denen selbst Kunstwerke von außerordeutlicher Schönheit hervorgehen,
Fabriken, die der Herstellung von Papier, Thonwaren, Spielsachen und
andern Diugeu dieueu, beweisen, wie sehr das Riesengebirge eine Stätte
deutscher Arbeit geworden ist, auf die wir mit Freude und Stolz
hinschauen. Ist es uns nicht, als ob wir in dem Gezische und Geklapper
der Dampfmaschinen etwas von dem Walten des Berggeistes vernähmen,
der pnstend und rumorend deu ihm aufgezwungenen Dienst verrichtet,
und in den schönen Erzengnissen dieser Arbeit das Wirken seiner
Zaubermacht, die rohe Erdenstoffe in Schätze zu verwandeln weiß?
2.
Die Schneekoppe oder Riesenkoppe, 1601 m, ist ein kühn
und originell geformter Gipfel. Anf dem flach gewölbten Rücken des
Seifenberges erhebt sich ein noch 150 m hoher, ans Nollstücken von
Granit, Gneis und Glimmerschiefer aufgetürmter, nur zu häusig in
Nebel und Wolken gehüllter Fäfeu; anßer der Alpenanemone, dem
sogenannten Teufelsbart, bekleideu ihn nur Moose und Flechten. Steil
windet sich der Fußpfad als Treppe hinauf; an einzelnen Stellen fällt
der schwindelnde Blick in den 650 m tiefen Anpagrnnd, in den die