1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Thüringen und seine Bewohner.
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laduug. Wir treten eiu in das Haus. Es hat nur einen Wohnraum,
eine Küche und Stalluug. Eiu widerlicher Geruch kommt uns ent-
gegen: der Nhöner schläft in seiner Wohnstube in großen, mächtigen
Betten-, ein ungeheurer Kachelofeu, der Sommer wie Winter geheizt
wird, haucht eine unausstehliche Hitze aus; das Lüften des Zimmers
hält mau thörichterweise für gesundheitswidrig. Indessen wir mit dem
Alten „schwätze", geht die Alte an ihre Arbeit. Sie bäckt „Hüdes",
d. h. sie reibt Kartoffeln, formt dann daraus eine Art Kuchen, klatscht
diese an den heißen Ofen und läßt sie so rösten; denn der „Jong"
und das „Mäge" find mit den Enkeln aus der „Heue" und haben sich
für den Mittag ihr Leibgericht bestellt, „Hüdes" mit „Büsch"; das
letztere ist gehackter Salat mit saurer Milch. Brot können die armen
Lente nur selten kaufen, Fleisch kommt monatelang nicht auf deu Tisch;
Kartoffeln, Kraut, Mehlsuppe, allerlei Gebäck aus Kartoffeln sind ihre
beständige Nahrung. Die mangelnde Güte der Speisen müssen sie
durch ungeheure Mengen ersetzen. Die „Eller" zeigt uns einen
großen, mächtigen eisernen Topf und einen Karren und beschreibt uns,
wie sie des Souutags die Wäude des Topfes mit Schmalz bestreichen,
um darin Kraut zu kochen, und deu schweren, kaum zu hebenden Topf
mittels des Karrens in den Kachelofen schieben. Das Gewitter hat sich
endlich verzogen, und wir nehmen von den alten Lenten herzlich Ab-
schied. §. Weber.
11. Thüringen und seine Bewohner.
1. Land und Leute. — Geschichtliche Erinnerungen. — 3. Thüringische Residenzen.
1.
So ziemlich in der Mitte von Deutschland, gleichweit von der
Nordsee und den Alpen entfernt, liegt ein wahrhaft bezauberndes und
daher vielfach von Wandrern besuchtes Stück Gebirgsland, bekannt unter
dem Namen des Thüriugerwaldes. Auf der 145 km langen, von
Südost nach Nordwest laufenden Hanptkette führt ein fahrbarer Weg,
der sogenannte Rennsteigs), hin, von dem ans man nach beiden Seiten
in die Ebene, nach Franken und Thüringen, blicken kann. Zugleich
bildet^ das Gebirge die Wasserscheide für drei Flüsse, für Elbe, Weser
und Rhein. Alle kleinen Gebirgswässer und Flüßchen wenden sich entweder
der Werra, der Saale oder dem Maine zu. Längenthäler sind nicht vor-
Händen;it alle Bäche lausen vom Hauptrücken zum Flusse. Die zahl-
reichen Übergänge quer über das 345 Quadratkilometer umfassende
Gebirge bieten keine Schwierigkeiten, und daher ist der Thüringerwald
ein wegsames und reichen Wechsel an Landschaften bietendes, zugleich
sehr besuchtes Gebirge.
Zu den höchsten Erhebungen gehören der 980 m hohe Beerberg
bei Suhl, der ziemlich gleichhohe Schueekopf und der Jnselsberg,
*) Rennsteig — derselbe hieß ehemals Rainsteig (d. i. Grenzweg), denn
er bildet die alte Grenze zwischen Franken und Thüringen.