1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
268 Bilder aus den mitteldeutschen Gebirgslandschaften.
sowie der am höchsten gelegene bewohnte Ort Oberhof, nicht weit von
der Schmücke, mit einer Höhe von 824 m. Der noch weiter nord-
westlich gelegene, wegen seiner hervorragenden Gestalt und der reizenden
Aussicht, die er nach allen Seiten gewährt, bekannte Jnselsberg ist
960 m hoch. Von ihm aus erblickt das Auge eine prächtige Landschaft
mit Städten, Dörfern, Schlössern und Burgen. Dort glänzt Schloß
Friedenstein über der lieblichen Stadt Gotha, und weiterhin taucht
Erfurt mit seinen ehrwürdigen Domtürmen auf. Von Norden her
blickt die alte, graue Wartburg aus den grüuumlaubteu Bergen heraus,
und in noch weiterer Ferne gewahrt man fogar den Kyfshäuser und
den Brocken. Um die nächsten Vorberge des Jnselsberges her liegen
viele der reizendsten Gegenden. Da liegt Kloster Reinhardsbrunn und
Schnepfenthal, Ruhla und Liebenstein mit herrlichem Bade, Möhra,
der Stammort von Luthers Elteru, Eisenach, Schwarzburg, weiterhin
Suhl und Schmalkalden mit ihren Gewehrfabriken und Sonneberg mit
seinen Spielwarenfabriken.
An herrlichen Aussichten, Naturmerkwürdigkeiteu und geschichtlichen
Erinnerungen ist der Thüringerwald reicher als viele andere Gebirge.
Nirgends ist er unwirtbar, seine Höhen sind mit Holz freundlich be-
wachsen, die Wände derselben mit malerischen Felsen geziert, und seine
Thäler und Wiesengründe sind von klaren Bächen durchflössen. Ge-
bahnte Wege führen durch die Thäler auf die Höheu, acht Heerstraßen
steigen über das Joch des Gebirges; fast in allen Thälern hat sich die
Menschheit angesiedelt, und in der südöstlichen Hälfte wohnt sie mich
auf den Bergen.
Ans den vorstehenden Mitteilungen wird uns zugleich klar, warum
der Thüriugerwald mit seinem Anlande mehr und mehr zur sommer-
lichen Wallfahrtsgegend zahlloser Touristen wird, die in der frischen
Waldluft sich erholen wollen. Die stärkste Zahl der Gäste liefert
Norddeutschland, besonders Berlin. Das neckische einheimische Volk
tituliert sie mit dem Namen „Luftschnapper". Nach allen Richtungen
durchziehen sie das Wald- und Berggebiet, und viele rasten in Bade-
und andern Orten, z. B. in Liebenstein, Ruhla, Friedrichsroda, Elgers-
bürg, Ilmenau u. a. uicht selten monatelang, um bei gemütlichem
Nichtsthuu der geistige» und körperlichen Ermüdung, mit der belastet
sie der großeu Welt und Stadt entflohen sind, wieder auf längere Zeit
los zu werden. Und wie viele strömen nicht an jedem schönen Sonn-
tage herbei, um eiueu Freudentag in den Bergen zu verleben!
Neben dem stillen Natnrleben des Thüringerwaldes hat, besonders
auf und an dem mehr ausgebreiteten Südostteile, seit lauger Zeit Ge-
werbfleiß aller Art seine Werkstätte vielfach aufgeschlagen. Der müh-
same Kornbau auf der kargen Ackerkrume der Berglehnen konnte die
zahlreiche Bevölkerung nicht eruähren; das Bedürfnis schärfte den
erfinderischen Sinn, den Ankömmlinge aus der Ferne, aus Nürnberg,
Böhmen, Schwaben und Kärnten geweckt hatten und dessen Ausbildung
durch nützliche Produkte, besonders durch reichen Schiefer-, Holz- und
Eisenvorrat des Gebirges unterstützt wurde. Wir finden in dem Be-