1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Thüringen und seine Bewohner,
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3.
Sämtliche kleinen thüringischen Residenzen sind seit geraumer Zeit
Pflanzstätten der Kultur. Jede dieser Residenzen hat ihre Wissenschaft-
lichen Anstalten, ihre Bibliothek, ihr Kunst- und Naturalienkabinett,
ihr Theater, höheren Anforderungen der Architektur entsprechende Gebäude
und Ziergärten.
Die Bibliotheken von Gotha und Weimar gehören zu den größten
in Deutschland, die Kupferstichsammlung in Koburg und das Münz-
kabinett in Gotha zu den bedeutendsten, welche existieren. Noch leuchtet
die Zeit, wo Weimar der Mittelpunkt der deutschen Poesie, das Mekka
des guten Geschmacks war, hell in die Gegenwart herein. Zwar blickten
Wieland und Herder, Schiller und Goethe stets weiter als Thüringens
Berge, und ihr Ruhm und ihre Wirkung löst sich mehr und mehr von
dem Orte ihres Weilens ab; allein die Thatsache ist nicht zu schmälern,
daß das kleine Weimar erfüllte, was Deutschlands größte Städte ver-
säumten, und daß der dortige Musenhof den Schöpfern unserer
Litteratur die heitere Muße sür ihre Geistesarbeit gewährte, womit sie
der deutschen Sprache das Herz unseres Volkes eroberten und diesem
unserm Volke die Ansänge aller höheren Richtungen zeigten, worin es
seine Aufgabe zu setzen hat. Auch gegenwärtig noch werden in Thüringen
Kunst und Wissenschaften von den Fürsten mit Liberalität, von den
Bewohnern mit Eifer gepflegt. Auch gegenwärtig nehmen die typo-
graphischen Anstalten von Gotha, Hildburghausen und Weimar einen
hervorragenden Platz ein. Aus Tradition nimmt der weimarische Hof
fortwährend an Kunst und Wissenschaft das lebhafteste Jntereffe, und
der Herzog von Koburg-Gotha läßt nicht leicht einen Zweig höherer
Geistesarbeit ohne Aufmunterung und Unterstützung.
Weimar, schon im 10. Jahrhundert erwähnt, bis 1342 Sitz be-
sonderer Grafen, liegt am linken Ufer der Ilm; links hebt sich der Thal-
rand allmählich znm Ettersberge, rechts zum Berglande von Berka. Der
Schloßturm und der Turm der Hauptkirche bezeichnen die im Grunde
gelagerte Stadt.
Weimar ist die Dichterstadt. Die „Fruchtbringende Gesellschaft"
ward 1618 in Weimar gestiftet. Die Erinnerungen an die Heroen
unserer neueren Literatur zieheu vor allen, anderen den Fremden an.
Weil aber Schiller's Wort: „Es soll der Dichter mit dem König gehen,
sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen" nirgends schöner erfüllt
ist als in Weimar, so sind die Erinnerungen an die Landesfürsten und
die Fürsten im Reiche des Geistes unzertrennbar mit einander verflochten
— vom Fürstenschlosse bis zur Fürstengruft. Und die Gegenwart ist
der großen Vergangenheit nicht unwert. Weimar erfreut sich noch
immer eines kunstsinnigen Hofes und vieler Dichter und Schriftsteller.
Im Jahre 1863 hat sich ein besonderer Verein für Kunst und Wissen-
schast gebildet.
An der Ilm, am Paradeplatze, steht das großherzogliche Residenz-
schloß, 1790 bis 1803 unter Goethes gutachtlicher Leitung aufgeführt.
Im Bernhardszimmer ist die Rüstung Herzog Bernhards des Helden
Meyer, Lesebuch der Erdkunde Iii. 18