1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
32& Bilder aus dem norddeutschen Gebirgslande,
herstellen, von dem eigentlichen Brockenfelde geschieden wird, kann als
ein durch den Einschnitt des Okerthales abgetrenntes Glied der westlichen
(Klausthaler) Hochebene angesehen werden. Doch fassen wir es hier
um der gleichartigen Natur willen mit dem Brockenfelde zusammen.
Dieses im Mittel 810 m hohe Becken wird ringsum von höheren
Bergen umschlossen, von denen Brocken, Königsberg, Lerchenköpfe und
Quitscheuberg bereits genannt sind. Die Westgrenze bilden der Bruch-
berg (923 m) und die sich anschließenden sanften Erhebungen des Sonnen-
berges (842 m) und Rehberges (884 m), die Südgrenze der Rücken
der Achtermannshöhe, dessen Hornfelskegel (926 m) die Alten für einen
Vulkan hielten, und der höhere Wormberg. In der Mitte dieser höchsten
Ebene unseres Gebirges erhebt sich die Höhe „Obere Schwarze Tannen"
zu 877 in. — Von Bruch und Torfmoor umgeben, oder vom Beeren-
gestrüpp überwuchert, liegen hier mächtig Granitfelsen, wie die Breiten-
steine, riesigen Opseraltäreu vergleichbar, die Hopfensäcke und das Magd-
bette.
Mit seinem Fuße steht der Brocken in der Region des Nadelwaldes.
Es sind hohe, dunkle Fichten, zwischen denen wir hinansteigen. Aber
bald wird der Wald lichter, Granitbrocken und Scherben bedecken den
Boden, Himbeer- und Brombeerstrauch bemühen sich, die mit Flechten
und Moosen überkleideten Trümmer zu erklettern; hier umklammert
eine einzeln stehende Fichte einen Granitblock mit ihren Wurzeln und
zwängt diese allmählich immer tieser in die engen Spalten desselben,
dort breiten über den feinen mit etwas Erde vermischten Granitgrus
(„Hexensand") die Heidelbeere mit ihren Verwandten und die Heidekräuter,
einem Habichtskrauts oder einer Anemone Schutz gewährend, ihr
glänzendes Gewand. Doch auch anspruchslose Gräser finden hier und da
ein Fleckchen, das ihnen spärliche Nahrung gewährt. So ist dieser Brocken-
gürtel, der im Norden und Nordosten fast die Form der Hochebene
annimmt, zugleich die Region der Viehhöfe.
Bei weiterem Ansteigen gelangen wir in die Region der Brüche
und Moore, welcher das Brockenfeld gehört. Nur einige Forsthäuser
liegen in dieser Einöde; der Torfstich hat in diesen Hochmooren trotz
wiederholten Versuchs aufgegeben werden müssen, da in der feuchten
Luft der Torf nur selten trocken wird. Der Wanderer verwünscht wohl
diese Brüche, deren trügerische Decke ihn vom Wege lockt, aber der
Harzer weiß sie zu schätzen. Bilden sie doch mit ihrem tiefen schwammigen
Untergrunde das Hauptwassermagazin des Harzes, welches sich am
tauenden Schnee so voll saugt, daß auch der regenärmste Sommer es
nicht völlig auszutrocknen vermag, daß es, zahlreiche Flüsse speiseud,
Land und Oberharz jahraus jahrein mit Wasser versorgen kann.
Und nun noch ein kräftiges Ansteigen über Klippen und durch
zwerghaftes Knieholz, und wir befinden uns auf dem abgerundeten Gipfel
des Brockens. Schneidend fegt der Wind über die baumlose Kuppe,
Wolken umtanzen gespensterhaft die Granitkolosse, für welche man im
17. Jahrhundert die Namen Teufelskanzel, Hexenaltar, Hexenwaschbecken
n. dergl. erfunden hat, und plötzlich umfängt uus beängstigend der