1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Goslar.
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Die Stadt, der das Kaiserhaus 1415 zugefallen war, benutzte es
als Gerichtslokal, dann als Munitionshaus. 1630—1632 war es
Jesnitenkollegium, später Schauspielhaus und schließlich Kornmagazin
für den Harz. „Ohne diese Verwendung — so sehr sie auch der ur-
sprünglichen Bestimmung entgegen — hätte dasselbe wohl das dem Dom
widerfahrene Schicksal geteilt. Nun mußte doch etwas für seine Unter-
Haltung in Dach und Fach geschehen." — So war die „Thronstätte
unserer Könige", „wo einst der Sachsen, der Salier und Hohenstaufen
ruhmreicher Schild im hohen Kaisersaale ruhte", nur eben noch gut
genug, des Bergmanns Brotkorn zu bewahren. Doch diese Schmach ist
nun gesühnt.
Im Jahre 1866 erstand die hannoversche Regierung das Haus
von der Stadt für 3000 Mark und bewilligte 21 000 Mark für die
Restauration desselben. Diese Summe reichte indes nur hin, das Ge-
mäner gegen Einsturz zu sichern und die Fensterarkaden zu sichern.
Nach der glorreichen Wiederherstellung aber des Reiches unter
seinem ruhmgekröuten Kaiser Wilhelm gedachte man auch wieder dieses
Denkmals der glanzvollsten Zeit des alten Reiches und bewilligte die
bedeutende Summe von 200 000 Mark zur Fortführung und Boll-
endnng seiner Restauration. Bis auf weuige Gemälde ist es nun voll-
endet, und das alte „clarissimum regni domicilium" blickt als ein
Wahrzeichen der Einigung unseres Volkes wieder hoch und stolz vom
hohen Kaiserbleek auf die alte Stadt herab.
Treten wir nun in das Hans. Das Untergeschoß, welches ur-
sprünglich keine Verbindung mit dem Obergeschoß hatte, bildete in
ältester Zeit nur einen einzigen großen Raum. Erst später, wahr-
scheinlich nach dem Brande von 1829, hat man ihn in sieben Räume
abgeteilt und diese mit Spitzbogengewölben überdeckt. Ein hier auf-
gefundenes Kanalsystem mit Steigröhren scheint bestimmt gewesen zu
sein, den Reichssaal zu erwärmen. Zu dem Eingangsvorbau des Ober-
geschosses führen zwei steinerne Freitreppen hinauf. Wir gelangen in
den 48 m langen, 14 m tiefen und in der Mitte 10 in hohen groß-
artigen Reichs saal, der sein Licht durch dreiteilige Rundbogenfenster
erhält. Der mittleren größten Arkade gegenüber steht an der Hinter-
wand auf einer Erhöhung zwischen zwei ungewöhnlichen Säulen der
auf vier großen steinernen Kugeln ruhende metallne Kaiserstuhl ein
Vermächtnis des verewigten Prinzen Karl.
Die Wände sind in großartig schöner Weise mit bildlichen Dar-
stellungen aus der deutschen Geschichte durch die Hand des Professors
Wislicenus in Düsseldorf geschmückt. Die Hauptgemälde befinden
sich an der Westwand. „In der Mitte prangt die Darstellung der
Wiedergeburt des deutschen Reichs im Jahre 1871, ausgezeichnet durch
geniale Komposition, wie durch koloristische und dekorative Ausführung
Kaiser Wilhelm und sein erlauchter Sohn nahen zu Pferde einem
Trinmphthore, wo sie links von dem Fürsten Bismarck und dem Grafen
Moltke, rechts von dem Prinzen Friedrich Karl und zwei allegorischen
Figuren, Elsaß und Lothringen, erwartet werden. Der Reichskanzler,
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