1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Der nieder deutsche Volksstamm.
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verbunden, oder es sitzen in der Wand zwei Klappen, die geöffnet
werden können, um anch von da ab das Innere des Hauses übersehen
zu können.
Als charakteristisches Merkzeichen des westfälischen Hauses ist, wie
schon bemerkt, das Giebelzeichen zweier aus den Enden der Dach-
sparren geschnitzter Pferdeköpfe bekannt.
Das ist die ursprüngliche Einrichtung des westfälischen Bauern-
Hauses.
So praktisch diese Einrichtung auch ist, so hatte sie doch manche
Übelstände im Gefolge. Unter möglichster Beibehaltung der alten be-
währten Einrichtung hat der Bauernstand deshalb in den letzten
30 Jahre sich bemüht, eine gesundere und behaglichere Wohnung sich
zu verschaffen. Früher hatte man die schlechtesten und niedrigsten
Stellen, die weder zum Acker- noch zum Garteubau tauglich waren,
vielleicht auch des Schutzes wegen, zu Wohnplätzen gewühlt, und so
lagen die meisten Wohnungen mitten in einem Morast, welcher Umstand
den Zugang zu ihnen sehr erschwerte, aber auch zugleich alle Be-
mühungen der Bewohner, diese und sich selbst reinlich zu erhalten, von
vornherein unmöglich machte. Da die große Einfahrtsthür bei allen
Häusern der Straße zugekehrt ist, so mußten die nach hinten gelegenen
Wohnräume an solchen Straßen, welche ihre Richtung von Osten nach
Westen nehmen, auf der uödlichen Seite nach Norden zu liegen kommen,
so daß auch bei dem höchsten Stande der Sonne während der Sommer-
monate nie ein Strahl derselben in die Wohn- und Schlafzimmer fallen
konnte. Daß infolge der Lage und Richtung diese Häuser feucht und
ungesund sein mußten, auch ihren Bewohnern keinen angenehmen,
heiteren Aufenthalt bieten konnten, liegt auf der Hand. Aber wie dem
ritterlichen, so hat auch dem bäuerlichen Stande während der unruhigen
Zeiten die Sicherheit ihrer Wohnungen mehr gegolten, als die Bequem-
lichkeit und Gesundheit.
Zunächst suchte mau nun bei beschlossenen Neubauten aus der Enge
und Tiefe heraus und auf die Höhe und Weite zu kommen und die
Wohnräume nach Süden zu kehren. Bei vorzunehmenden Reparaturen
der alten Räume zog man diese zunächst höher und die Seitenwände
weiter hinaus, teils um höhere Zimmer, dann auch um zwei neue zu
gewinnen, welche auf der einen Seite als sogenannte beste Stube, auf
der andern als neue Kammer für die jungen Leute, falls der Erbe oder
die Erbtochter heirateten, größere Bequemlichkeit und Annehmlichkeit,
vor allem aber auch gesundere Wohn- und Schlafräume boten. In
jener, welche man ^nach Bedürfnis und Vermögen auf das beste aus-
stattet und „lütke Stowe" nennt, werden bei Familienfesten und Be-
sucheu Verwandte bewirtet; diese ist auch bei nördlicher Richtung durch
das Seitenfenster den Sonnenstrahlen zugänglich und bietet einen ge-
snnden und freundlichen Schlafraum. Mau nennt diese Ausbaue
„Utsteke" (Ausstich), und sie finden sich, nachdem sie erst Bedürfnis g--
worden waren, jetzt fast in allen alten Bauernhäusern. Aber auch die
alten Stuben und Kammern hatten dadurch, daß sie höher geworden
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