1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das hannoversche Wendland.
433
und Volkscharakter zäh bewahrt haben, während ringsum die Slaven,
wie in Mecklenburg und der Altmark, mit ihren Vesiegern verschmolzen
sind, so ist daraus auf einen friedlichen Ausgleich zwischen Siegern und
Besiegten geschlossen worden. Wenn man sich aber des tief einge-
wurzelten Widerwillens erinnert, den der Wende gegen den Sachsen bis in
neuere Zeit bewahrt hat, so mag dieser Umstand dazu beigetragen haben,
die dort einmal ansässig gewordenen Wenden unvermischt und daher in
ihren Eigentümlichkeiten treu erhalten zu sehen.
Ob die Wenden anfangs noch unter eigenen Häuptlingen ge-
standen und diese sich allmählich den Einrichtungen der Sachsen an-
bequemt haben. oder ob sie schon anfangs sächsischen Edelingen unter-
stellt gewesen sind, ist nicht zu ermitteln. Die ältesten Nachrichten aus
dem zwölften Jahrhundert zeigen schon die Gaueinteilung. Unter den
-Grasen, welche die Gane hier verwalteten, werden als erste die von
Lüchow und Warpke, die Edlen von Wustrow und Gartow genannt.
Der erste Gras von Lüchow (Hermann) tritt 1144 auf, 1318 stirbfder
letzte des Geschlechtes. Die Grasschaft war wahrscheinlich zu verschie-
denen Zeiten Lehen des Braunschweig - Lüneburgischen, des Branden-
burgischen, auch wohl des Stiftes Verden, ist oft verpfändet gewesen,
nnter andern auch der Stadt Lüneburg und dem Geschlechte v. Bülow.
1672 kam sie an Herzog Georg Wilhelm in Celle. Ein stattlicher
Turm zeigt noch heute die Stelle, wo einst das Schloß stand, das
wiederholt der Witwensitz sürstlicher Frauen gewesen ist, bis es 1811
durch Brand gänzlich zerstört wurde. Auch die Grafen von Warpke
werden schon im zwölften Jahrhundert aufgeführt. Clenze, Bergen,
Schnega, Disdorf und andere Drter gehörten zu ihrem Besitze. Schon
1232, wo Otto das Kind die Herrschaft kaufte, war das Geschlecht
erloschen; das Schloß wurde 1229 zerstört. Herzog Julius Ernst hatte
hier später ein Jagdschloß erbaut. Die Edlen von Gartow, zuerst
1217 genannt, waren ein reiches Geschlecht, das aber ebenfalls oft seine
Güter verpfänden mußte. Die Überreste ihrer alten Stammburg hat
man im Kussebruche wieder zu erkennen gemeint; diese soll 1399 als
Räubernest nebst andern „Sumpfburgen" zerstört sein. Der Edlen von
Gartow wird 1225 zuerst erwähnt; 1360 kam ihr Besitz in die Hand
des Johanniterordens; 1390 wurde er als eins der schlimmsten Raub-
uester von den welfifchen Herzögen erstürmt. Nachdem die Besitzung
längere Zeit in der Familie von Bülow gewesen war, erwarb sie 1644
Gottlieb von Bernstorf für 34 000 Thaler. Überhaupt scheint auch
das Raubrittertum hier eiue reiche Ernte gehalten zu haben. Die
Überreste und Namen berüchtigter Burgen bewahrt der Volksmund noch
heute bei dem Dorfe Püggen, in der Tibkenbnrg bei Bergen und
anderswo. Das Wendland nahm seinen reichen Teil an dem wüsten
und rechtlosen Treiben jener Jahrhunderte, wo der Fleiß der Städte
Reichtum, Handel und Kunst zur Blüte brachte. Lüchow heißt schon
1293 „oppidum", und es wird als das reiche in dem bemerkenswerten
Spruche zubenannt: „Wustrow de sieke, Lüchow de rieke, Daunenberg
Meyer, Lesebuch der Erdkunde Iii. 28