1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das hannoversche Wendland.
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gewöhnlich nicht schön; das Auge meist grau, hell, selten dunkel, braun;
das Haar schlicht, straff, meist blond, selten schwarz; die Stirn hoch,
der Kops ruudfckädelig (brachyocephal); der Bart meist dünn; der Gang
ist schwer, bisweilen schlotterig. Auch das weibliche Geschlecht zeigt un-
schöne Bewegung; der Fuß ist groß, die Hüfte breit, der Wuchs schlanker,
die Arme voll und kräftig; die Gesichtsfarbe gesund, die Wangen rot,
die Haut von feiner Weiße; die Farbe des Haares wie bei den
Männern.
In seiner Kleidung liebt der Wende grelle, lebhaste Farben. Der
Stoff ist vorwaltend Linnen und ein aus Flachs und Wolle gemischtes
Gewebe, „Beiderwand", beides selbstgewebt und farbig gemustert, früher
meist schwarz und grün gestreist. Die Männer trugen ehemals als
Kopfbedeckung eine blaugeftreifte Zipfelmütze, wie sie fast überall in
Niedersachsen üblich war. Bei der Arbeit geheu die Wenden barfuß
oder in Holzsohlen mit Lederhut; der Waldarbeiter trägt zuweilen eine
weiße, leinene Schürze. In der Kirche und bei feierlichen Gelegen-
heilen hat der Wende dunkle Tuchkleidung. Die festliche Kleidung des
weiblichen Geschlechtes ist gesucht und kostspielig. Rock und Mieder
sind von feinem Tuche, die buntfarbige Schürze und das vielfach ge-
faltete Tuch von Seide; um den Hals der weiße gefältelte Tüllkragen;
die rote Haube im Boden mit eigenartigen Perlen geschmückt und mit
lang herabhängender Bandschleife. Silberne und goldene Ohrgehänge
und Ketten oder Korallen fehlen nicht leicht. Die übrigen Züge in
der Tracht, welche wohl angeführt werden, sind nicht Eigentümlichkeiten
dieser Gegend, vielmehr bis nach Westfalen hinein verbreitet und haben
dort wie hier den neueren Moden Platz gemacht. — Man fagt den
Wenden nach, daß er ein starker Esser sei, viel bedürfe und viel ver-
möge, und man hat hinzugesetzt, er köune es sich gestatten, er habe
es; „Bilder des Jammers und Hungers" gebe es dort nicht. An
brechend voll besetzten Tischen zu schwelgen, wenn sich die Gelegenheit
dazu bietet, soll noch im besonderen Maße eine Leidenschaft des Wenden
sein. „Da steht gekochter Schinken neben einer Schöpskeule, — ein
Kalbsbraten in einem Meer von Butter schwimmend, Schweinsbraten,
Sülze und Wnrst aller Art; gekochter Reis neben weißen Bohnen, ge-
kochte trockne Zwetschen neben kaltem Sauerkohl; das beliebte „Gäelsuer",
eine Art saurer Brühe, und Meerrettig". Weißbrot ist fast immer im
Hause, und bei Hochzeiten, Kindtaufen und anderen Festlichkeiten werden
große Massen desselben vertilgt. Das alte Honigbier kommt nur noch
selten vor; „Dickbier", der Schnaps, jetzt auch Lagerbier, bilden dabei
das Getränk. Doch wird behauptet, daß dort von Jahr zu Jahr die
Trunkenheit geringer werde (!). Kaffee wird vom weiblichen Geschlechte
über alles geschützt.
Das alte wendische Wohnhaus ist dem niedersächsischen ganz gleich
eingerichtet. An der der Straße zugewandten Giebelseite ist die große
Thür, durch welche der Wageu nach beseitigtem „Dössel" und,, Stüll",
wie sie im Kalenbergischen genannt werden, aus die Diele fährt, um
durch die „Luke" Frucht und Heu auf den Boden zu bringen. An den
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