1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus der norddeutschen Tiefebene.
Ortes, „Stedte" genannt, seine Huldigungen zu beweisen, ihn sich geneigt
zu machen. Nach feierlichen Gebräuchen bei der Errichtung des Baumes
wurde sämtliches Vieh um denselben hergetrieben, das sie nun gegen
Seuche gesichert und zum Gedeihen gesegnet glaubten. Ähnlich war es
mit den „Kronenbäumen". Sie erinnern vielfach an die „Maibäume",
die ich oben erwähnte. Ein ganz abenteuerlicher Glaube knüpft sich
an zweimal entwöhnte Kinder, die, wenn sie sterben, dann als „Doppel-
säuger" an dem Leben eines Familiengliedes zehren, bis es gelingt,
der aufgegrabenen Leiche mit einem Spaten das Genick abzustoßen.
Die großen Kalendertage und kirchlichen Feste sind neben den Mond-
gestalten die Grundlage zahlreicher Wetter- und Verhaltungsmaßregeln
bei der Wirtschaft. Die stehende Mondsichel bedeutet trockenes, die
liegende nasses Wetter. Bei wachsendem Monde pflanzt und säet man,
was über der Eide Frucht bringt, bei abnehmendem, was durch Wurzeln
unter der Erde nützt. Zur Zeit des Neumondes liefert das Zuchtvieh
schlechte, bei Vollmond fruchtbare und gute Art. Klare Christnacht
ist ein günstiges Vorzeichen einer guten Ernte, dunkle ein schlimmes.
Vor dem Eintritt des Weihnachtsfestes muß alles geordnet sein, kein
Gerät darf im Felde bleiben, alle Thüren müssen geschlossen sein, alles
Ausgeliehene wird zurückgefordert.
Die Mundart der Wenden ist eine Form des Plattdeutscheu, wie
es mit manchen kleinen Verschiedenheiten in ganz Niedersachsen gesprochen
wird. Gewisse Eigentümlichkeiten hat jeder größere oder kleinere Bezirk;
ja das kundige und fein gewöhnte Ohr erkennt nicht selten die einzelne
Ortschaft. Im hannoverschen Wendlande hat sich nicht nur in den Orts-
nennen, sondern auch in manchen anderen Bezeichnungen noch ein Rest
der alten slavischen Sprache erhalten, die vor 1—200 Jahren die
herrschende gewesen zu sein scheint. Noch zu Anfang dieses Jahr-
Hunderts soll es Bauern gegeben haben, welche wendisch sprachen. Ein
„Vaterunser" ist vom Pastor Hennings in Wustrow, eine wendische
„Beichte" (?) vom Magister Kaspar Wehling, dem ersten deutschen
Prediger in Bülitz, aufbewahrt. Jeues lautet nach einem von Herrn
Prof. Leskieu in Leipzig ein wenig geänderten Texte, und in normale
Orthographie umgeschrieben, folgendermaßen:
Nos hol'i väder, to täi jis vä nebes'eu, s'otü oärdäj tüji
Unser heiliger Vater, der du bist im Himmel, heilig werde dein
jaima ; tüji rik Jcomäj; tüja vül'a (mo sä) k'ün'ot kok vä
Name; dein Reich komme; dein Wille (hat sich) zu vollenden wie im
nebes'eu, tock kak no zemi; nosä visedänesnä sk'aibb doj nam
Himmel, sowie ans Erden; unsere alltägliche Scheibe (Brot) gieb uns
däns, un vütädoj nam nosi grech'y, kok mäi vütädojime nosim
heute, und vergieb uns unsere Sünden, wie wir vergeben unseren
gresnarem'. ni bringoj nos vä värsükbg (o~), täi losoj nos viit
Sündigern; nicht bringe uns in Versuchung, du löse uns von
visakog ch'eudag.
jeglichem Bösen.