1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die norddeutschen Marschen.
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Die deutschen Wörter sind unterstrichen, ä ist zu sprechen wie das
niederdeutsche breite a (nach o hin); v wie w\ der Strich am Konso-
nanten bedeutet, daß eiu leichtes j danach zu sprechen ist; ~ über den
Vokalen nasalierte Ansprache; e ist gleich dem französischen z.
Einen besseren Abdruck des Vaterunsers verdanke ich der gütigen
Mitteilung Professor Leskiens in solgendem:
Nösse wader, ta toy gis wa nebisgäy, sjungta woarda tügi
geim, tia rik komma, tia willia schinyot kok wa nebisgäy tok
kak no sime, nossi wisse danneisna stgeiba doy näm däns, un
wittodoy näm nösse grech, kak moy wittedoyime nössem gres-
narim, ni bringoj nos ka warsk'nya, tay lösoäy nös wit wisso-
kak chaudak.
Es ist klar, daß wir es hier nicht mit reinem Wendisch, sondern
mit einem Gemisch zu thun haben, das vom Deutschen stark durch-
drungen ist. Dasselbe gilt von der sogenannten Beichte. Bedeutsamer
mag das von Hennings mitgeteilte Volkslied sein, das noch vor einem
halben Jahrhundert bei Trinkgelagen als eine Art Wechselgesang mit
übermütigem Gepolter vorgetragen wurde. In auffallender Weise
zeigt sich beim heutigen Wendländer die allgemeinere Erscheinung der
Vertauschung gewisser Laute darin, daß er den H-Hanch in den deutschen
Wörtern wegläßt und ihn einfügt, wo er nicht hingehört. „Dieser
kleine Ochse hat lange Hörner", sprach ein Bauer: „Dürs lütky Hoß att
lang Öhren". Hennings führt an: „Er Hamptmann von Arling hiß
ihr". (Herr Amtmann von Harling ist hier) Die Ortsnamen, welche
noch heute die ehemaligen Wenden im sächsischen Gebiete erkennen lassen,
endigen oft auf „ow" (an, Aue, Wasser), auf „ien" (Dorf?), auf „itz"
oder „eitz" (Ort, Platz), „anz" (Wiese?). Lüchow, Glauchow, undnrch-
dringlicher, dunkler Ort; Lühe, Lüswald, Loh. Wustrow, Insel. Cleutze,
Neigung, Abhang. Breese, Birke; im „Breetz", Birkenwald. Breselenz,
Birkenwiese, Lanze, Wiesenort. Trabuhn (Trawnng), Grasstelle. Pred-
öhl, Grenze. Prießeck, ausgehaueuer Ort. Gedelitz (Jedliea), kleine
Fichte^
Sprachvergleichende Forscher werden auf diesem Gebiete noch immer
Anziehendes zu eudeckeu haben. Stewvorth.
7. Die norddeutschen Marschen.
1. Bildung der Marsch. — 2. Das Alte Land. — 3. Holsteinsche Marschen.
1.
Die Marsch ist ein Geschenk des Meeres und der Flüsse. Als
vor der Zeit des Deichbaues die Uferlandschaften bei jeder Flut vom
Meerwasser überschwemmt wurden, blieb nach dem jedesmaligen Flut-
gange eine fette, aus Thon und Lehm bestehende Schlammschicht, Schlick
genannt, zurück, aus welcher die Marsch hauptsächlich aufgebaut ist.
Daneben besteht dieselbe aus zahllosen kleinen, nur durch das Mikros-