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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 453

1890 - Gotha : Behrend
Die norddeutschen Marschen. 453 niemals Rindvieh als Zugtiere. Kein Stier aus diesen Gegenden hat je seinen Nacken unter das Joch gebeugt, und die Güte des holsteinschen Ochsenfleisches soll wesentlich mit durch den Umstand bedingt sein, daß die Tiere nicht zum Ziehen verwendet werden. Außerordentlich gut ist auch das Kalbfleisch. Die jungen Tiere werden nicht, wie es anderwärts geschieht, mit 14 bis 24 Tagen geschlachtet, sondern erst, wenn sie zehn bis zwölf Wochen alt sind, und dann werden sie, um dem Fleische seine Zartheit und seinen Wohlgeschmack zu erhalten, mit Milch und Eiern gefüttert. Ausgezeichnet ist auch die Pferdezucht in den Marschen. Besonders für schwere Reiterei sind die kräftigen, hohen Tiere sehr geeignet; dock werden auch viele als Wagenpferde ausgeführt. Der Menschenschlag in den Marschen ist kräftig, stark, wohlgenährt und von zäher Ausdauer. Die Phantasie der Marschbewohner ist zwar etwas schwerfällig, sie besitzen auch nicht jene Beweglichkeit des Geistes und jenes rasche Erfassen, wie man es anderwärts findet; allein was sie einmal erfaßt und als gut und richtig erkannt haben, das führen sie auch mit Beharrlichkeit und Ausdauer durch. Auf Speise und Trank hält man in den Marschen sehr viel, wie schon das Sprichwort andeutet: „Eten uu Trinken sünd sör Lief und Sel an ifern Band*)." Das Eigentümliche der Speisen ist eine gewisse Derbheit und Gediegenheit, die vielleicht nicht ohne Einfluß auf die geistige und gemütliche Beschaffenheit der Marschbauern ist. Eine große Rolle, besonders bei den ärmern Leuten und bei den Knechten und Mägden der Marschhöfe, spielt der Buchweizen, aus welchem man die sogenannte Grütze, einen Brei mit Milch, Butter und Speck, kocht. Speck und schwere Mehlspeisen sind überhaupt vorherrschende Nahrnngs- mittel. Man ißt Erbsensuppe mit Speck, Klöße mit Speck, Bohnen mit Speck und Pfannkuchen mit Speck — kurz, es ist beinahe wie auf jedem Schiffe, wo der tägliche Speisezettel lautet: „Erbsen mit Speck oder Speck mit Erbsen." Ein seltsames Gericht, welches zur Verdauung allerdings einen kräftigen norddeutschen Magen verlangt, sind die so- genannten „swetigen Mehlbüdel", d. h. Klöße von einem ungeheuren Umfange, oft größer als ein Manneskopf, aus Weizenmehl, Pflaumen, Rosinen, Eiern, Butter und Milch. Im Winter, zur Zeit der Schlacht- seste, wird dieses Gemengsel statt mit Milch mit frischem Schweineblute vermengt, dann gekocht und in brauner Butter aufgetragen. So ver- schiedenartig auch die Bestandteile erscheinen, so gut schmecken diese Mehlbüttel, wenn man sich erst daran gewöhnt hat; man könnte diese Speise das Nationalgericht der Marschbewohner nennen. Das Brot, welches in der Marschgegend genossen wird, ist entweder sehr schönes, mit goldbrauner Kruste überzognes Weißbrot oder sehr schwarzes, schweres Roggenbrot von derselben Beschaffenheit und dem- selben Geschmack wie der westfälische Pumpernickel. Gewöhnlich ißt man das Brot so: auf eine Schnitte Schwarzbrot, mit Butter bestrichen. *) „Essen und Trinken sind für Leib und Seele ein eisern Band.
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