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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 465

1890 - Gotha : Behrend
Berlin. 465 der Stadt Berlin diese glänzende Zukunft eröffnet. Nach dem Aus- scheiden Österreichs und Wiens aus dem deutschen Staatenverbande, nach der Auflösung des deutscheu Bundes in Frankfurt, nach der Wiederherstellung der alten deutschen Reichsgrenze gegen Frankreich und nachdem der König von Preußen sich die deutsche Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt hat, ist der nationale Schwerpunkt Deutschlands nun gänzlich nach Berlin gefallen. Es ist für alle diplomatischen und staatlichen Transaktionen das entscheidende Hauptforum und der Sitz des Reichstags geworden, in überraschender Weise an Bevölkerung, Arbeitskraft und Kapital infolgedessen vermehrt worden. Wer von Berlin länger als ein Jahrzehnt fern geblieben und es jetzt in seiner nenen Gestalt wiedersieht, kann sich vor Erstaunen über die Wandlung kaum fasseu. Die ehedem stille Stadt ist Großstadt in des Wortes weitester Bedeutung geworden. Der Verkehr hat dank den neugeschaffenen Verkehrsmitteln riesig zugenommen, während die Woh- nnngsverhältnisse durch eiue rationelle Stadterweiterung eine wesentliche Verbesserung erfahren haben. Im Norden hat sich das Volk der Maschinenbauer und Arbeiter niedergelassen und aus dem sonst so armen und verrufenen Vogtlande eine stolze und große Fabrikstadt gemacht, deren Schornsteine wie zahlreiche Minarets der Industrie in die Luft ragen. Noch sind es kaum vierzig Jahre her, als die Kohl- und Kartoffelfelder im Südosten auf dem ehemaligen Köpnicker Felde bis nahe an die alte Jakobsstraße reichten. Dort, wo jetzt die schöne Alexandrinenstraße zieht, ging ein Sandweg, an dem sich hier und da ein Gärtner angesiedelt hatte. An beiden Seiten der Kais am Kanal, welcher die Spree und den Landwehrgraben verbindet, breiten sich jetzt schöne Trottoire, weite Fahrstraßen, mit doppelten Reihen von Linden und Kastanien eingefaßt und von prächtigen Wohnhäusern und kleinen Villen begrenzt. Und im Westen? hier erhebt sich eine ganz neue Stadt mit Prachtstraßen, deren Häuser mit allem Stolz und Reichtum von Palästen ausgestattet sind. Noch ist kein Handel hier, keine In- dustrie; keine Fabriken sieht man, keine Geschäfte, und dennoch wogt ein Menschen- und Wagenverkehr, dessen Ursache lediglich aus dem organischen Zusammenhang dieser neuen, schönen Stadtgegend mit dem alten Berlin zu erklären ist. Hier sind die Quartiere des guten Mittel- standes, der hohen Beamten-, der Schriftsteller- und Künstlerwelt, während die Geburts- und Geldaristokratie nach wie vor die Straße, „unter den Linden", die die Hauptstadt nahe vom Brandenburger Thor an in der Großartigkeit ihrer Prachtbauten erblicken läßt, deren nächste Umgebung, sowie den Saum des herrlichen „Tiergartens" mit ihren Palästen und Landhäusern in Besitz hält. Die durchaus breiten Straßen des nenen Berlin gestatten allent- halben den ^ramwah- und Omnibusverkehr, während die neugebaute Stadtbahn, die Berlin quer durchschneidet, es der minder bemittelten Klasse ermöglicht, ihre Wohnstätten an der äußersten Peripherie anfzu- schlagen. In Berlin hält die Baulust fortwährend an, und wohl in keiner Stadt Europas werden seit Jahr und Tag so viele Wohnungen Meyer, Lesebuch der Erdkunde Iii. 30
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