1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus der norddeutschen Tiefebene,
Fürsten und Staatslenker in ihrem Bestreben, ihn groß zu machen
unterstützten, gewisse auf sie abzielende natürliche Kanäle und Lebens-
ädern, die fortwährend das Blut und Mark des Landes Bevölkerung,
Waren, Kapital und gewerbliche Rührigkeit aller Art aus Nähe und
Ferne zu ihr hinführten.
Gleich anderen großen Städten ist eine kleine, in der Mitte erhöhte
Insel der Spree als der erste und älteste Keim und Kernpunkt ihrer
Entwicklung zu betrachten. Noch heute steht auf dem etwas abge-
tragenen Hügel, den die slavischen Einwohner Köllen nannten, die alte
Kirche des heiligen Petrus, des Schutzpatrons der Fischer. Eine ähnliche
Anhöhe wie auf der Insel Kölln war auf der Nordseite der Spree, wo
der Flnß sich verengte, den Ubergang erleichterte, Veranlassung zu einer
Fähre bot und allmählich den Mühlen-, Fischer- und Schifferort „der
Berlin" (= Fährort) hervorrief. Auf der Anhöhe im Süden der
Spree liegt jetzt die Spitalkirche und auf der nördlichen das Rathaus
der Stadt Berlin, an ihrem Abhänge aber nach dem Fluß zu erhebt
sich die alte Kirche des heiligen Nikolaus, des Schutzpatrons der
Schiffer und Kaufleute. Die alte Flußübergangsstelle, die Spreeveren-
gung im Herz- und Lebenspunkte der Stadt, wird uoch heutzutage von
Wassermühlen eingenommen und durch den „Mühlendamm" bezeichnet.
Zwischen den breiten Seen in der Nähe der Mündung der Spree bei
Spandau und dem Seelabyrinth oberhalb Berlins gab es keinen be-
qnemeren Ort zum Fischsang, zum Übergang über den Fluß und zum
Schutz gegen Feinde. Die Lokalität bot einen festen Stützpunkt für
kriegerische Operationen, vermittelte den Verkehr zu Lande zwischen
Osten und Westen. Es mögen daselbst infolge dieser Naturverhältnisse
seit den ältesten Zeiten Menschen gehaust, gefischt, gehandelt und ge-
kämpft haben, obwohl die Geschichte erst seit dem Anfange des drei-
zehnten Jahrhunderts, seitdem die Deutscheu in diese Gegenden vor-
drangen, die Existenz der Städte Berlin und Köln urkundlich nachweist.
Die angedeuteten Naturverhältnisse der nächsten Nachbarschaft ver-
mochten indes Berlin noch nicht zu einer hervorragenden Stellung zu
erheben; es konnte lange Zeit nichts weiter als den vornehmsten Markt
der beiden kleinen Landschaften Barnim und Teltow darstellen, von
denen die eiue im Norden, die andere im Süden der Spree lag. Erst
als die Deutschen seit Albrechts des Bären Zeiten anfingen, alle die
kleinen slavischen Gebiete zwischen Oder und Elbe zu einer großen
Markgrafenschaft Brandenburg zusammenzufügen, gewann die Stadt eine
höhere Bedeutung. Auch die innere Organisation des Landes und
namentlich der Lauf der Wasseradern zielte auf einen gleichen Erfolg
hin. Es giebt in Deutschland wohl wenig Länderstriche, die von einem
so engen Netze zahlreicher natürlicher und kräftiger Flußfäden und
Schiffahrtsstraßen durchsetzt wären, als das Havel- und Spreeland, in
dessen Mittelpunkt Berlin emporwuchs und damals der bevölkertste und
lebhafteste Handelsplatz der Mark wurde. Wie die Waren der Mark,
so wurden anch ihre Bewohner bald zahlreich zu diesem Punkte hinge-
führt, in dem seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts gewöhnlich