1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus der norddeutschen Tiefebene.
von hölzernen Häusern begrenzt, welche ihre Rücken nach der Breiten-
und Brüderstraße zu, ihre Giebel aber dahin wandten, wo jetzt das
Schloß ihnen die Aussicht benimmt. Diese war damals frei und weit;
denn von da ab, wo die Stechbahn nächst der Brüderstraße aufüngt,
zog sich nur eine mäßig hohe Mauer von gebrannten Ziegelsteineu
halbkreisförmig bis an die Spree. Es war eine Klostermauer; denn sie
umschloß das ursprünglich dem Kloster der schwarzen Brüder in der
Brüderstraße gehörige Gebiet. Aber sie schloß sich an die Festuugs-
mauer der Stadt Kölln an, die sich gegen die Spree-Werder zu am
Wasser hinzog, und deshalb war sie mit fortlaufenden Gängen, Schieß-
scharten, Leitertreppen und einer hölzernen Überdachung versehen.
Dergleichen Mauern sind in alten Städten selten von freundlichem
Ansehen. Unrat und Unkraut häufen sich darum; die darunter ausbe-
wahrten Feuergerätschaften, und was man sonst aus der Hand stellt,
mögen sie vielleicht malerisch, aber nimmermehr freundlich machen.
Der ganze große Raum dazwischen war wüst; denn die paar, unregel-
mäßig zwischen Gestrüpp, Gras und Unkraut und zwischen Morast
und Sandmüll, je nachdem die Witterung war, ausgerichteten Buden
oder Holzhäuser dienten in ihrer Zerstreutheit und Kleinheit nur dazu,
die Leere des großen Platzes noch mehr ins Licht zu stellen.
Die Mauer war iu Verfall, wenigstens nicht so uuterhalteu, wie
sonst gut verwaltete Städte in jenen Zeiten für ihre Festungswerke
sorgten. Die dazu bestimmten Einnahmen mochten bei der Uneinigkeit
der Städte verschleudert oder zu anderen Zwecken verbraucht worden
sein. Die Ufer der Spree nach der Köllner Seite hin waren noch
durch feine Meutern abgegrenzt. Das Pfahlwerk war morsch, einge-
stürzt; das Erdreich, mit Weiden, Gestrüpp und Gras überwachsen,
senkte sich ins Wasser. Doch fehlte es deshalb, weil wir den Platz
wüst nennen, hier nicht "an Leben. Durch Kot, Sand und Gras
schlängelten sich vielfache, stark betretene Wege. Nur hatte fein Wege-
meister sie angelegt, fondern allein das Bedürfnis sie gebahnt. In
der Mitte des heutigen, — nicht des damaligen Platzes, denn sie war
näher der Häuserreihe als der Mauer — stand die Kirche der
schwarzen Brüder, deren Kloster in der Brüderstraße gelegen war, die
zweite Kirche der reichen Stadt Kölln. Wo aber eine Kirche stand,
fehlte niemals Handel und Verkehr. Ein Markt darum machte sich
von felbst; anfangs nur von den Gegenständen, fo zum Gottesdienst
näher oder entfernter gehören, als Wachskerzen, Rosenkränze, Heiligen-
bilder. Jeder lebhafte Handel mit einem bestimmten Gegenstande
weckt aber zehn andere Gewerbszweige auf, und Buden mancherlei
Art fanden sich auch hier aufgeschlagen, meist mit Dingen, die nicht
unmittelbar die Zünfte angingen, noch dem Zunftzwange unterworfen
waren.
Hier hatte ein erster Apotheker seine Bude, ehe die Stadt seine
Hantierung als eine nützliche und notwendige anerkannte, und ihm
deshalb ein Privilegium im Innern der Stadt selbst erteilte. Krämer
von auswärts legten, minder beaufsichtigt als auf den Märkten, ihre