1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Berlin.
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Unterbau diese Erhöhung zu tragen im stände sein würde. Was er
gefürchtet hatte, trat ein; der Turm zeigte so bedenkliche Risse, daß er
abgetragen werden mußte. Nun fiel der Meister in Ungnade, mußte
den Schloßbau au Eosander von Goethe abtreten, einen Günstling
Wartenbergs, dessen heimlichen Ränken man den Sturz des Meisters
zuschrieb. Goethe zeigte sich übrigens der Aufgabe ganz gewachsen; er
baute den nach der Söhloßbrücke gelegenen Teil des Schlosses und schuf
das herrliche Portal, das von der Schloßfreiheit in den Bau führt
und zum Haupteingange bestimmt war. Die gänzliche Vollendung seiner
stolzen Königsburg, die heute noch unsere Bewunderung erregt, erlebte
Friedrich nicht. Die letzte Hand wurde unter der Regierung seines
Nachfolgers an den Bau gelegt.
In seiner Art nicht minder großartig und schön wie das Schloß,
ist das Zeughaus, dessen Bau bereits 1695 nach Nehrings Plänen begonnen
und nach dessen Tode von Halot und Schlüter auch in seinem bildlichen
Schmucke vollendet wurde.
Man würde aber irren, wenn man Friedrichs Einfluß allein auf
Werke derjenigen Künste, die in das Auge fallen und den Glanz seiner
Herrschaft äußerlich darstellten, beschränkte; auch aus dem Gebiete der
uu stillen schaffenden Künste und auf demjenigen der Wiffenschaft ist
seine Regierung epochemachend, ja grundlegend geworden. Freilich
hatte der Vater in dieser Richtung manches gethan, allein die Anspannung
der ganzen Krast seines Staats war zu sehr uach außen gerichtet, und
hatte zu sehr den innern Aufbau desselben zum Ziele, als daß er das
großartige Werk seiner Regententhätigkeit mit Werken der Kunst und
Wissenschaft hätte krönen können. Freilich tobten auch zur Zeit der
Regierung Friedrichs zwei langwierige und blutige Kriege, der große
Nordische und derjenige, welcher um die spanische Erbfolge geführt
wurde; freilich nahmen Friedrichs Truppen an dem letzteren erfolgreichen
Anteil, allein ihre Schauplätze lagen weitab, und sie berührten den
Kern seiner Staaten nicht. So gewann der König Muße, eiueu wichtigen
Einfluß auf die hohen Zwecke des Lebens, auf Kunst und Wissenschaft,
zu üben und dem preußischen Staate die Richtung auf die Intelligenz
zu geben.
3.
Das königliche Berlin hat sich nun seit Aufrichtung des deutschen
Reiches zu einem kaiserlichen entfaltet.
Unter den zahlreichen prachtvollen Bauwerken der deutschen
Kaiserstadt verdient vornehmlich das königliche Schloß genannt
zu werden. Es wurde, wie schon erwähnt, zu Anfang des acht-
zehnten Jahrhunderts von dem ersten preußischen Könige dicht an
der Spree, zwischen dem geräumigen Schloßplatz im Süden und
dem Lustgarten im Norden, erbaut. Dies herrliche Gebäude bildet
ein längliches Viereck, welches zwei große und zwei kleine Höfe ein-
schließt. Fünf hohe Portale führen in das Innere, das viele Pracht-
säle, fürstliche Wohnungen, die Schatzkammer und eine Gemälde-
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