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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 498

1890 - Gotha : Behrend
498 Bilder aus der norddeutschen Tiefebene. abzuholen. Im Festhause herrscht unterdessen große Thätigkeit in allen Ecken und Winkeln. Gegen elf Uhr halten die sehnlichst erwarteten Gäste, die Musikanten, ihren Einzug. Drei Mann, ein Violinist, ein Klarinettist und ein Trompeter, bilden in der Regel das Orchester, während den mitgebrachten Brummbaß zu streichen einige kunstsinnige Jungen des Dorfes sich zur Ehre anrechnen. Unter lautem Jauchzen aller Knechte und Jungen, die wie besessen durch dick und düuu neben- her rennen, jagt der Wagen durch das Dorf dem Festhause zu. Trotz- dem, daß die Strohsäcke des Sitzes bei den furchtbaren Stößen hoch herauffliegen, suchen die Musikanten es doch möglich zu machen, mit lauter Musik ihreu Einzug zu feiern. Ein gutes Frühstück, aus Schinken, Wurst, Eiern, Brauntwein und warmem Bier bestehend, entschädigt sie für die ausgestandenen Strapazen der Fahrt und stärkt sie für die viel größeren, die ihrer harren. Jetzt naht der Hauptpunkt des Festes: der feierliche Umzug durch das Dorf. Alle Großknechte haben sich in ihrem besten Staate, kurzen blauen Tuchjacken mit blanken Knöpfen, ebensolchen Unterwesten und langen, weiten weißen Leinwandhosen, die runden Mützen mit großen Sträußen von grünem Buchsbaum und köstlichen Blumen von Glanz- Papier und Rauschgold verziert, auf dem Festhofe eingefunden. Von hier setzt sich das Ganze in Bewegung. Voran ziehen die Musikanten, einen Marsch beginnend; ein stämmiger Großknecht, in der einen Hand eine allmächtig große, runde Flasche von grünem Glase, am Halse mit einigen langen, flatternden buntfeideueu Bändern verziert, die mit Branntwein gefüllt ist, in der andern ein Schnapsglas, folgt ihnen. Er macht den Mundschenk des Zuges und trinkt sowohl auf allen Bauernhöfen wie auch sonst auf der Straße jedem ihm begegnenden männlichen Wesen einen „Schnaps" zu, der nicht ausgeschlagen werden darf, wenn es nicht für eine schwere Beleidigung gelten soll. Hinter dem Mundschenk folgen zwei Großknechte, von deuen jeder eine „Gaffel", wie man sie zum Umwenden des Getreides beim Dreschen braucht, trägt, von deren beiden Enden lange, regenbogenfarbige Bänder weit in die Luft fliegen. Den Gaffelträgern folgen die „Harkenträger", die zwei ebenso an den Zacken mit Bändern geschmückte „Harken" auf langen Stielen tragen; diesen wieder zwei Knechte, die große, flache Futterkiepen, mit Häckerling gefüllt und auch möglichst mit Bändern und grünem Strauchwerk an beiden Seiten verziert, in den Händen halten. Einige andere Knechte mit großen Fahrpeitschen, mit denen sie unaufhörlich kunstgerecht zu knallen suchen, schließen den Zug, der, jubelnd von der gesamten Jugend des Dorfes umschwärmt, nach dem nächsten Bauernhofe zu marschiert. Der Bauer nebst Frau und samt- lichem weiblichen Dienstpersonal empfängt denselben auf der großen Diele des Hauses. Ein lustiger Tusch der Musikanten wird aufgespielt und zuerst dem Bauer selbst, der herzhaft sein Glas mit einem Zuge austrinkt, und dann den Weibern, die aber nur verschämt daran nippen, ein Trunk dargebracht, wobei die Darbieter sich selbst gewöhnlich auch nicht zu vergessen Pslegen. Jetzt kommt die Bauerfrau und bringt mit
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