1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Unsere beiden großen Seehandelsstädte.
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spanische Weine und geistige Getränke, jener Ankertaue und Teer; hier
hängen rote und blaue Flanelljacken, dort Matrosenmützen oder Wasser-
stiesel. In diesen Straßen drückt die Seehandelsstadt dem ganzen Leben
ihr Gepräge auf.
Das ist Hamburg, das vielgeschäftige, lebensfrische und schöne
Hamburg. Eiuem altem Stamme gleich, der, obwohl heimgesucht von
manchem Sturm und Ungewitter, in unverwüstlicher Lebenskraft grünt
und stets reichere Blüten und Früchte trägt, so steht die Stadt da. Ihre
angstvollsten Tage in neuerer Zeit waren diejenigen vom Himmelfahrts-
tage des Jahres 1842 bis zum folgenden Sonntage, wo ein ungeheurer
Brand den fünften Teil der Stadt mit den ansehnlichsten Gebäuden
verzehrte und 20000 Menschen obdachlos machte. Damals schien
Hamburg ein Schlag getroffen zu haben, von dem es sich nie wieder
aufrichten könnte. Was aber nach jenen Unglückstagen der Senat der
Stadt seinen Mitbürgern zurief: „Unser geliebtes schönes Hamburg ist
nicht verloren, und unsere fleißige Hand wird, wenn auch erst in Jahren,
das wiederaufbauen, was uns das wütende Element in wenigen Tagen
entriß. Gott mit uns!" das hat sich herrlich bewahrheitet. Erfüllt ist
das Wort, das, gleichsam prophetisch, Max von Schenkendorf in seinem
Liede von den deutschen Städten über Hamburg, sünduudzwanzig Jahre
vor dem Brande gesprochen:
Laß Flammen dich verzekiren,
Mein Hamburg reich und schön,
Man wird in jungen Ehren
Dich Phönix wiedersehn.
2.
Dem glänzenden Hamburg mit seinem geräuschvollen Weltgetriebe
gegenüber zeigt die Schwesterstadt an der Weser ein stilleres, bürgerlich-
behäbiges Aussehen. Die nicht eben großen, von nur einer oder zwei
Familien bewohnten Häuser, welche sich über eiu sehr ausgedehntes
Stadtgebiet erstrecken, sind, wie die Straßen an sich, so nett, sauber und
sreundlich, daß sich der Fremde schon dadurch angenehm angesprochen
fühlt. Diesem treten dazu landschaftliche Schönheiten entgegen, die er
in der alten Reichsstadt nicht zu vermuten pflegt. An Stelle der alten
Wälle umgeben herrliche Anlagen die innere Stadt, — in solch aus-
gedehnter Fülle und reizender Mannigfaltigkeit, fo anmntvollem Wechsel
von Land und Wasser, mit so prächtigen, malerischen Durchblicken, wie
sie schwerlich eine andere deutsche Stadt in solchem Grade aufweist. Vor
den Thoren der Stadt aber breitet sich ein sehr großer öffentlicher Park
aus, der eine wirkliche Perle der neueren Landschaftsgartenkunst ist.
Auch sonst bietet^ Bremen des Interessanten viel. In den Teilen der
Stadt, wo die Warenhäuser und Kontore der Staufleute liegen, durch-
gehen von früh bis spät die vieleu mit Baumwolle, Petroleum, Tabak,
Reis und anderen Waren beladenen schweren Frachtwagen die Straßen;
lebhafter Schiffsverkehr entwickelt sich an den Ufern des Stromes, wo
fortwährend Waren aus- und eingeladen werden; zu gewissen Zeiten