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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 571

1890 - Gotha : Behrend
Die Ostseeküste Deutschlands. 571 in Mecklenburg und andere Orter erwarten sehnsüchtig jedes Jahr zahl- reichen Besuch von Gästen ans dem Binnenlande, der ihnen eine in früheren Zeiten nicht gekannte Quelle des Einkommens geöffnet hat. So 6untp allerdings ist hier das Völkergemisch noch nicht wie das der Fremden, welche in den Meeresbranduugen der Nordsee, z. B. bei Ostende Schelleningen, Norderney, Helgoland, untertauchen und Gesundheit und Lebensfrische aus den Wogen holen wollen. o Während die Nordsee nicht selten mit furchtbaren Überschwemm- uugeu in das Besitztum der Menschen einbricht und die Bewohner der Küste zu unablässigem Ringen mit dem wilden Elemente zwingt, streckt sich die Ostsee wie ein großer Binnensee friedlich hin; llom Ocean ent- legen und durch die dänischen Inseln beinahe abgesperrt, bleibt sie vom regelmäßigen Wechsel der Ebbe und Flut so gut wie unberührt, und um ihr von Nordost nach Südwest gedehntes, buchtenreiches Meeres- becken haben sich deshalb Städte und Dörfer in reichem Kranze herum- gelegt, in sorgloser Sicherheit, denn nicht schützen Deiche den Anbau und das Eigentum der Menschen. Aber am 13. November 1872 zerriß eine Sturmflut, wie sie uoch nie über diese Gewässer dahingegangen, den blühenden Kranz am Ge- stade der Ostsee. Es mag immerhin nach mancher Ansicht ein unter- irdischer Stoß wie bei einem Erdbeben die Waffer wild aufgewühlt haben; sicher ist, daß ein heftiger Wind aus Westen das sonst abfließende Wasser im Kattegat so wie in der Ostsee aufstaute, bis der am 12. November nach Nordost umspringende Sturm den vollen Wogen- schwall mit um so größerer Wucht wieder zurückwarf. Der furchtbare Nordost hielt 24 Stunden lang an und wuchs zum Orkau. So quoll die hochgehende Waffermenge vom Finnischen und Rigaischen Meerbusen her in südwestlicher Richtung vorwärts. Die Küste Gotlands nur streifend, traf sie mit vollem Andränge Bornholm und andere dänische Inseln, die Südspitze von Falster wurde sogar gänzlich überschwemmt; dann verheerte sie die Insel Femarn und warf sich mit unwiderstehlicher Gewalt auf die deutsche Küste und in die tief ins Land einschneidenden Buchten hinein. Es war ein Schrecknis von unerhörter Furchtbarkeit; das Wasser stieg mehr als 3 m über seine gewöhnliche Höhe und über- traf den bisher bekannten höchsten Wasserstand von i694 um 60 cm, den des Jahres 1836 um 67 cm. Wie entsetzlich die hochgeschwollene See vordrang, beweist die Thatsache, daß die Stadt Oldenburg in Hol- stein, welche zwei Stunden von der Ostsee entfernt liegt, noch von dem Wasser erreicht und ein Haus in der Stadt sogar noch verwüstet wurde. Niemand war auf eiu solches Naturereignis vorbereitet; denn wenn auch alte Geschichtsbücher der Hansastädte von einer wilden Sturmflut erzählen, welche 1304 die jetzige Insel Rügen von Pommern abriß, so waren seitdem über 5 Jahrhunderte vergangen, und die Begebenheit haftete nicht mehr in der Menschen Gedächtnis; so weit beglaubigte geschichtliche Nachrichten reichen, hatte man von einem solchen Wüten
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