1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Zwei ostpreußische Seestädte.
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Löbenichtsche haben ihre eignen Gotteshäuser, ebenso wie die Brüdergemeinde,
die Mennoniten und Jrwingianer. Die Juden erfreuen sich ihres Tempels
in stiller Gegend der Vorstadt.
Der Nenroßgürtner Bezirk fuhrt uns zum botanischen Garten der
Universität, zum Museum der in- und ausländischen Tiere, zu Unterrichts-
Krankenhäusern für angehende Ärzte und auf einer Wallhöhe, mit
schöner Aussicht auf das Pregelthal, zu der berühmten königlichen
Sternwarte, deren reiche Ausstattung zur Beobachtung des Sternen-
Himmels Napoleon einst bewunderte.
Auf sieben Chansseeen und durch sieben Thore Königsbergs kommen
die Zufuhren vom Lande. Betrachten wir nun den starresten und auch
wieder belebtesten Teil der Stadt, das Speicherviertel, der Speicherinsel
Danzigs vergleichbar. Im Winter sieht man nur das Getreide von den
Wagen der Landleute aufwinden und hört den seltsamen Gesang der
Arbeiter, welche das Getreide umstechen. Im Frühlinge aber erwacht
hier neues Leben; das erste Schiff, eine wahre Sommerschwalbe, wird
mit Jubel begrüßt, ein zweites, eine ganze Reihe folgt. Last auf Last
wird nun von den sogenannten Sackträgern in Säcken von den Speichern
in die Schiffe und vou diesen in die Speicher getragen. Im Sonnenschein
füllt der Weizen wie ein Goldregen herab. Frauen, oft zu Hunderten,
zupfen den Hanf und Flachs zurecht, der zur Weiterseuduug in Ballen
gebunden wird.
Mit nahendem Sommer kommen die großen Fahrzeuge der Polen,
mit Getreide, Lein, Hanf und Flachs beladen. Im Naturzustände
gutmütiger Halbwilden lagern die Schiffsleute, hier Dschimken genannt,
um backtrogähnliche Mulden und langen mit hölzernen Rundlöffeln
nach ihrer Speise. In langen, bis zu Fuß reichenden grauen Röcken,
am Sonntag mit bunten Gürteln gehalten, gehen sie, den Strohhut
auf dem Kopfe, auf Bastschuheu langsam durch die Straßen, die Wunder
der großen Stadt anstaunend. Es ist Markt. Der Pole bleibt nie
lange ohne Fiedel, die plötzlich aus ihm einen ganz anderen Menschen
macht. Wir sehen eine muntere Schar, voran den Fiedler; die Tänzer
folgen, wie beflügelt, der einfachen, gleichförmigen Melodie mit seltner
Behendigkeit ihrer Füße; plötzlich wird auch wohl ein Kreis geschlossen
und eine Masurka zu großer Erlustigung der Zuschauer zum besteu
gegeben.
Zahlreich angelegte grüne Plätze geben gesunde Luft und Licht und
gewähren Kindern einen heitren Aufenthalt. Außer den schönen Gebäuden
der Universität und ihren Anstalten im Neuroßgärtner Bezirk siud die
neue altstädtische Kirche, die Kunstakademie mit dem Denkmal des
Ministers von Schön, das schöne Postgebäude, das Friedrichs-Kollegium
Geschenke aus der milden Hand des Königs. Unter den von der Stadt
aufgeführten Gebäuden nennen wir noch das Kneiphöffche Gymnasium
und die Löbenichtsche höhere Bürgerschule.
Die wichtigsten Ereignisse und Personen aus der Geschichte der
Proviuz Preußen. Königsbergs insbesondere, sind dargestellt an den
Thoren der Stadt, an dem Prachtgebäude der Universität und an dem