1874 -
Halle
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Masius, Hermann
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
10. Die Pflanzenwelt des Meeres. 85
färben weite Strecken des rochen Meeres,*) eines der tangreichsten, wie mit
Blut. Nicht minder groß ist die Mannigfaltigkeit der Formen, die hier in
oft überraschender Weise das Zierliche mit dem- Seltsamen, das Edle mit
dem Großartigen vereinigt.
Gesellige Tange mit gezähnten olivenfarbigen Blättern (Fucus serratus)
und der blasenreiche zerschlitzte Fucus vesiculosus überziehen die Ufer und
Klippen mit schlüpfriger Decke, soweit dieselben von den Wellen bespült
werden. Ueber dem krausen und breiten Laube des Meerkohls wallen rosen-
roth die mächtigen Bandstreifen der Indem, wiegen sich die dunkelgrünen
Laminarien, schwanken mit netzförmig durchbrochenem, weitgespreitetem Fächer-
blatt stolze Thalassiophyllen und Agaren. Im losen Sande Wurzeft das See-
gras (Zostera marina), beinahe die einzige blütentragende Pflanze, die sich
in das Meer geflüchtet hat, und bildet weitausgedehnte grünglnnzende Wiesen:
die Weideplätze der Schildkröten. Dort steigt, mit leisem Griff sich an den
Grund klammernd, der schlanke Stengel der Nereoeyste empor, kaum stär-
ker als ein Faden; aber dieser Faden streckt sich 200, 300 Fuß lang und
schwillt allmählich zur Keule und endlich zur Blase, auf der die Seeotter
sich schaukelt, während in dem gewaltigen Blätterschopfe sich ein unabsehliches
Gewimmel kleinerer Thiere birgt und nährt. So bildet die Nereocystis
Lutkeana dichte Wälder in den Küstengewässern des russischen Amerika, und
gleicherweise entfalten in den Meeren der südlichen Halbkugel dickstämmige,
baumartige Lessonien ihre palmähnlichen Wedel, aus denen der Riese dieser
Wälder, die Maeroeystis den ungeheuren Wipfel erhebt. Welch ein Abstand
von dieser Pflanze, deren armdicker Schaft eine Länge von mehr als
1000 Fuß erreicht, bis zu der mikroskopischen Conferve, welche sich als zarte
Filzdecke über den Boden breitet! — Ebenso wie im Thierreiche, finden wir
auch im Pflanzenreiche die größten Formen neben den kleinsten in den salzigen
Gewässern des Oeeans.
Die meisten Tange gedeihen nur unter Wasser. Doch giebt es Arten,
die sich zwischen der Marke der höchsten Flut und der tiefsten Ebbe ansiedeln,
so daß sie der Wechsel der Gezeiten bald der Luft aussetzt, bald mit der
nährenden Flüssigkeit bedeckt. Dahin gehören jene Tange, welche unseren
Küsten beim Rücktritt der Gewässer ihre düstre Färbung verleihen, wie
der Fucus nodosus mit seinen starken lederartigen Stengeln, der schon erwähnte
Fucus serratus, der Fucus canaliculatus, dessen rinnenförmig eingedrückte
Zweige der Luftblasen entbehren u. s. w. Andere Tange, besonders die ein-
facher organisirten, schwimmen, ohne eines Ankerplatzes zu bedürfen, frei
umher. Die übrigen heften sich dagegen mit einem scheiben- oder Wurzel-
*) Daher auch bei den Alten hie und da mare algosum genannt.