1874 -
Halle
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Masius, Hermann
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Zur physischen Geographie.
Um den Hardanger- und Sognefjord ohne alles Vorland unmittelbar aus
dem Meere bis zu Höhen von 8000 Fuß aufsteigt, ist in Europa das maje-
statischste Beispiel solcher steilen Erhebungen.
Es ist oben bereits der Gestalt der Berge gedacht worden. Derselben
liegt allerdings ein einfacher Typus zu Grunde; aber so einfach er ist, so
mannigfaltig wandelt er sich um, und nicht selten gehen höchst phantastische
und barocke Bildungen hervor, so daß das Auge der Völker in denselben
wohl allerhand Thiergestalten u. dgl. wiederzuerkennen geglaubt hat. *) Dennoch
waltet hier nichts weniger, als ein bloßes launenhaftes Spiel des Zufalls.
Vielmehr wird die Form des Berges wesentlich bestimmt durch den
Charakter des Gesteins, aus welchem er besteht. Dieser letztere ist das Be-
dingende, und ebendeshalb läßt sich nun auch aus der ersteren weiter zurück-
schließen auf die Entstehung, auf die geologische Geschichte eines Berges und
Gebirges. Bedarf es nun zwar hierzu der Hülfe des wissenschaftlichen
Verständnisses, so werden doch auch dem regen Sinne des Laien die großen
Erdformen lebendig. Unwillkürlich rufen sie ihm die Umwälzungen einer
vorweltlichen Vergangenheit vor die Seele, in denen der Planet sich aus dem
Chaos gliederte; er ahnt in ihren Linien die Gewalt der schaffenden Kräfte,
er hört die Feuer in der Tiefe zischen und donnern, er hört die Urströme
brausen und wogen, er sieht wie jene die großen Massen thürmen, wie diese
die breiten Flächen hinwerfen, die Berge aufschichten. Mit einem Worte, es
ergreift ihn ein bestimmter physiognomischer Ausdruck des Gebirges. Und
wenn nun auch diese Physiognomik, wie jede andere, sich vor allzu zuver-
*) Wenn nach dem Ausspruche jenes griechischen Philosophen der Mensch „ das Maß
der Dinge" ist, so war natürlich, daß er sich gleichsam selbst in alles legte und in allem
wiederfand. Organische Namen wie: Scheitel, Kops, Stirn, Hals, Schulter, Rücken,
Brust, Arm, Knie, Fuß, Sohle u. dgl. kehren wohl in den meisten Sprachen als Be-
zeichnungen von Gebirgsbildungen wieder. Auch Namen kleinerer Glieder und Körpertheile,
wie: Oehrli, Nase, Finger (beide letzteren für Caps und vorspringende Spitzen) sind nicht
selten; der Taygetos hieß in späterer Zeit von seinen fünf Gipfeln oberhalb Mistra
nfvrsddxtuxov u. f. w, — Völlig vermenschlichende Bergnamen wie: Mönch, Jungfrau,
Trompeter (im Taunus), die vier Evangelisten (Klippen der Magalhaösstraße) mögen
mehr als Eingebungen einer spielenden Phantasie erscheinen und sind auch nicht immer von
der bloßen Form des Berges oder Felsens entlehnt, während eine gewisse plastische Wahrheit
in den der Thierwelt und den menschlichen Gebilden entlehnten Benennungen wird an-
erkannt werden können. Z, B.: Ziegenrücken, Ziegenkopf, Katzenbuckel, Katzenkopf, Ochsen-
köpf, Eselsrücken, Bovxfyaxa (Cap in Argolis), Kwog xkpnluc (in Thessalien), Lions
head (Löwenkops), Asses' eares (Eselsohren, bei Kiusiu), Cameis liump (Kameelhöcker),
Kwooovqk (Spitze bei Marathon), Boogovqu (Cap von Cypern), l'aqo/uvtt] (Fischnase,
Cap von Lokris), Zuckerhut (Rio Janeiro und anderwärts), Bijenkorf (Bienenkorb, auf
Spitzbergen), Heufuder (Schlesien), 'Invol (die Backöfeu, Cap in Thessalien), Bolt head
(Destillirkolben, Cap in Neuhollaud).