1874 -
Halle
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Masius, Hermann
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Zur physischen Geographie.
Amerika, sondern es ist auch mit Wüsten heimgesucht; aber gerade darum ist
es an Mannigfaltigkeit der Erscheinungen der Neuen Welt überlegen. "Es
wird von keinem Mississippi, keinem Amazonas durchzogen, aber es hat doch
Culturströme, wie Indus-und Ganges, Jangtsekiang und Hoangho. Auf
seinen Räumen bildeten sich Jagd-, Räuber-, Hirten-, Ackerbau- und see-
fahrende Völker. Es waren die verschiedensten Formen und Gegensätze des
Lebens gegeben, und die bald feindliche, bald freundliche Berührung, in welche
dieselben traten, konnte nicht anders als die Menschheit allgemach zu höherer
Bildung führen.
Europa endlich ist glücklicher ausgestattet als alle anderen Erdtheile.
Aber auch hier ist es nicht seine Halbinselnatur allein, welche entscheidet.
Vielmehr gesellen sich dazu auch die auszeichnenden Vorzüge seiner Lage, in-
dem es mit seinem Norden in den Gürtel der „Regen zu allen Jahreszeiten"
und mit seinem Süden bereits in den Gürtel der Winterregen hineintaucht,
so daß sich an dein Fuße der Alpen und Pyrenäen zwei ganz verschiedene
Naturen begegnen: die der gemäßigten und die der subtropischeu Zone. Da-
her finden wir im Norden Europas Wiesenbau und Viehzucht, im Süden den
Oelbaum; im Norden Wälder und Gehölze von laubwechselnden Bäumen, im
Süden inunergrüne Haine; im Norden Roggen - und Weizenfluren, im Süden
bereits künstliche Reissümpfe; im Norden Reviere von Kern- und Steinobst,
im Süden Citrusgebüsche mit goldglühenden Früchten. Wir finden die an-
regendsten Gegensätze aus den Abhängen einer schmalen Halbinsel; aber wir
finden nirgends Wüsten, und selbst die Steppen sind auf engeren Raum
beschränkt.
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Die Sprache der Völker hat die Wüsten mit Recht als Sandmeere be-
zeichnet. Denn auch die Wüste dehnt sich scheinbar ins Endlose, wie die See,
und die eine wie die andere hat ihre grünen Inseln, ihre Klippen, ihre
Ufer. Ja unter Umständen steigert sich die Aehnlichkeit bis zu völliger Täu-
schung. Noch einer der neusten Durchforscher der Sahara erzählt, als er
von der Höhe des Sfapaffes herab zuerst die gewaltige Fläche zu seinen
Füßen erblickt, habe er sich unter dem überraschenden Eindrucke kaum ent-
halten können, wie einst die römischen Legionen und wie vor zwei Jahr-
zehnten die französischen Regimenter, auszurufen: Das Meer! das Meer!
Allein so groß immer die Aehnlichkeit sei, ist der Gegensatz doch größer.
Während dort ein immer bewegtes Element die Sinne mit wechseln-
den Bildern anspricht und in seinem Schöße eine unerschöpfliche Fülle des
Lebens birgt, zeigt die Wüste dem einsamen Pilger Tag um Tag das starre
Antlitz. Es ist ein Reich des Todes, in das er sich gewagt, und nur da,