1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Thomas, Louis
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
2 Die Kolonisation der Staaten der Nordamerikanischen Union.
als unbestrittener Herr des meist unwirtlich erscheinenden Landes. Das Land
war abwechselnd bedeckt von undurchdringlich erscheinenden Urwäldern und
von weit ausgedehnten grünen Flächen mit mannshohem Grase, es war
durchrauscht von riesigen Strömen, dem mächtigen Mississippi, dem ..Vater
der Gewässer", dem Missouri, Ohio :c.; im Norden aber enthielt es eine
Reihe größerer Seen, wie den Oberen-, Michigan-, Huron-, Erie-, Ontario-
see 2c. Bis zu den Gebirgszügen, die sich im Westen und gen Süden zu
riesigen Ketten emportürmen, drang damals wohl noch keiner der ersten Ein-
Wanderer von Europa vor; nur erst späteren Ankömmlingen war es vor-
behalten, auch bis dorthin ihren Fuß zu setzen.
Die heutigen Indianer im Westen der Vereinigten Staaten sind die
Nachkommen jener Volksstämme, welche im 16. und 17. Jahrhundert von
den Seen im Norden bis zum Golf vou Mexiko die unübersehbaren Distrikte
durchzogen, welche der „Große Geist" dem „roten Mann" als Heimat ange-
wiesen hatte. Sie, die bis jetzt aus weniger als eine halbe Million zusammen-
geschmolzen sind, waren einst die alleinigen Gebieter jenes wohl 900 000
Quadratkilometer umfassenden Flächenraums; sie waren ein unkultiviertes,
aber immerhin glückliches Jägervolk, dessen Hauptnahrung das Fleisch der
Büffel der Prärien bildete, das nur geringe Bedürfnisse kannte und sich
dennoch der ihm bekannten Genüsse des Lebens erfreute. Krieg untereinander
und Jagd in den mit Wild reich gesegneten Ländern bildeten ihre einzigen
Beschäftigungen; doch waren sie echt menschlichen Regungen nicht verschlossen.
Zum Zeichen geschlossenen Friedens wurde dann wohl ihre furchtbare Streit-
axt, der Tomahawk, begraben und unter den Versöhnten die Friedenspfeife
geraucht. In eigentümlich kräftiger, erhabener Bildersprache floß ihre
Rede dahin. Täglich sendeten sie ihre Gebete empor zum Großen Geist, als
dem Beschützer aller Tapferen und Guten, und hofften nach thatenreichem
Leben hier auf Erden in „jenes Reich" zu kommen, wo unermeßlich reiche
Jagdgründe ihrer warteten.
Zu jener Zeit mögen sich die weitverzweigten Jndianerstämme wohl
auf 12—16, ja einige meinen selbst 18 Millionen Köpfe belaufen haben.
Da kam vor nunmehr 300 Jahren der „weiße Mann" über den großen
Salzfee in ihr Land. Staunend sahen sie, wie er sich am Flnsfe oder am
Meere niederließ; immer mehr „Blaßgesichter" folgten ihren Brüdern nach,
die stolzen Riesen des Urwaldes sanken unter den mächtigen Axthieben hin.
Nach Verlauf von weniger als einem Jahrhundert waren die Fremden schon
Herren des ganzen weiten Küstenlandes geworden. Immer weiter wich der
„rote Mann" nach dem weiten Westen zurück — jetzt haben die Weißen
auch dorthin Eisenbahnstraßen geführt, und Feuerwagen durchrasseln die
ehemaligen Jagdgründe der Indianer. Noch ein Jahrhundert, und es wird
keinen Indianer mehr im Gebiete der Republik unterm Sternenbanner geben.
Das Verhängnis schreitet rasch. Haß gegen die eingedrungenen Europäer,
Trägheit, die nicht im stände ist, die alte Lebensweise zu ändern, und manches