1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Thomas, Louis
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Jermak Timofejew. 49
ihres Heeres arbeiteten und tüchtiger Kräfte bedurften. Dorthin zog es
Jermak, und schnell waren die Seinen bereit, ihm zu folgen. Die Kosaken
schwangen sich auf ihre flinken Rosse, Jermak an der Spitze der Schar.
Längs der Wolga ging der Zug nach Norden; in der Gegend von Sim-
birsk schwammen die kühnen Männer auf ihren treuen Rossen durch die
reißende Flut; sie gelangten zur Kama und fanden gastliche Aufnahme bei
den gleich Fürsten schaltenden Kaufherren.
Aber nicht zu müßiger Ruhe, zum Erholen von den Strapazen des
Krieges war Jermak hier angelangt. Sein Thatendurst, sein Hang zu
Abenteuern trieben ihn weiter; nicht wollte der kampfgeübte Arm ruhen.
Bald sollte sich auch Gelegenheit finden zu großer, blutiger Arbeit, denn
der Chan von Kutschum hatte gerade neue Streifzüge gegen die Strogonow
in Bewegung gesetzt und sich gleichzeitig bei seinen Unterthanen durch den
fanatischen Eifer, womit er ihnen den Koran aufdringen wollte, nicht
weniger als durch seine Bedrückungen verhaßt gemacht. Hierauf baute
Jermak seinen Plan. Hinter ihm, so schloß er, stand Iwan der Grausame,
der ihn hängen ließ, wenn er ihn erhaschte; vor ihm stand Kutschum, der
über Unzufriedene herrschte, in dessen Lande aber kostbare Zobelpelze in
Menge zu erbeuten waren. Rückwärts konnte Jermak nicht, also hieß es
vorwärts! Die Strogonow ihrerseits hatten gute Gründe, das Unter-
nehmen, welches ganz in ihre Politik paßte, zu fördern. Gelang es, so
wurden sie in Kutschum ihren schlimmsten Feind los und konnten sicher
daraus rechnen, daß der dann immer mehr erblühende Pelzhandel den
Weg durch ihre Hände nehmen werde. War dagegen das Unternehmen
ein unglückliches, so hatten sie nichts verloren und waren von dem Gaste
Jermak befreit, der sie bei ihrem Gönner, dem Zaren, in Mißkredit
bringen konnte. Also rechneten sie schlau vom politischen und kauf-
männischen Standpunkte, und der vortrefflich angelegte Plan gelang über
alle Maßen gut.
Als im Sommer des Jahres 1578 die Ströme vom Eis befreit waren
und die vom Schnee des Urals hoch angeschwollenen Fluten des Tschusso-
waja sich zu besänftigen begannen, um in ihr altes Bett einzulenken, da
hielt der kühne Kofak den Augenblick zum Losschlagen für gekommen.
Längs den Ufern des Flusses drang er in die Berge vor, durch die damals
noch nicht wie heute gebahnte Kunststraßen führten, auf denen die leichte
Tarantasse im Fluge dahin zu eilen vermag. Kein Führer war in dem
dünn bevölkerten Gebirge aufzutreiben, und Jermak verirrte sich. Sowie
dritthalb Jahrhunderte nach ihm Hunger und Kälte den kühnen Corsen
zum Rückzug aus Rußland zwangen, so waren es auch dieselben Feinde
wieder, die Jermak besiegten und ihn mit Verlust eines großen Teiles
seiner Parteigänger auf die Besitzungen der Strogonow zurückführten.
Weit entfernt aber, vor den Gefahren zurückzuschrecken, erwachte jetzt erst
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