1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Thomas, Louis
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Auffindung des Kongos. 211
die Wassermassen sich gegen Südwesten, und endlich hörte Stanley den
Namen: „Jkutu ja Kongo".
Neue Kämpfe und neue Leiden kamen noch einmal, und die Umgehung
der Katarakte des Unterlaufs verursachte die größten Strapazen und die
herbsten Verluste. Aber das Gelingen der unvergleichlichen Fahrt stand
schon außer Zweifel. Stanley konnte bereits Boten in die Handelsstation
Embomma voraussenden, und nach neun Monaten, die eine einzige große
Anstrengung gebildet hatten, kamen Europäer ihm entgegen und überschüt-
teteu die dem Hungertode Nahen mit allem Überflusse, den ein Hafenplatz
heutzutage bieten kann.
Daß Stanley so Großes leistete, war hauptsächlich deshalb, weil er
nicht als Notizen sammelnder Gelehrter, als moderner friedfertiger Ent-
decker, sondern als Heerführer, als geschickter Eroberer seinen Zug antrat.
Er unterhandelte, wenn er dadurch an sein Ziel kam, und griff zu den
Waffen, sobald die Unterhandlung fehlschlug. Er ging zu Werke wie ein
Wiking des nordischen Altertums oder wie die Konquistadoren aus der
Heldenzeit Spaniens. Cortez und Pizarro fanden in den von ihnen ent-
deckten Ländern an Unterdrückten oder Unzufriedenen mächtige Bundes-
genossen, welche ihnen große Heere stellten. Das meiste, was Stanley
erreichen konnte, war, daß man ihn nicht angriff.
Seine journalistischen Kollegen auf dem orientalischen Kriegsschau-
platze haben auch Großes geleistet, Strapazen ertragen und oft dem Tode
mutig ins Auge geschaut, aber sie waren doch nur wenige Meilen entfernt
von den Zentren europäischer Kultur, und die Hilfsmittel derselben standen
ihnen unbeschränkt zu Gebote. Stanley aber irrte unter den Wilden Afrikas
herum, unter den fürchterlichsten Drangsalen kämpfte er, der einzige Euro-
päer,. gegen die Barbarei der Wilden und die Schrecknisse der Wüste; ein
Wort schildert seine ganze Vereinsamung: drei Jahre lang sah der Jour-
nalist Stanley keine Zeituug!
Man hat aus Unkenntnis der Verhältnisse Stanley vielfach den Vor-
wurf unnötiger Grausamkeit gemacht. Dabei wurde vollständig übersehen,
daß unser Reisender mit den undenklichsten Schwierigkeiten der Natur zu
kämpfen hatte und sich in Gegenden befand, die entweder der Fuß eines
Europäers noch nie betreten, oder deren Einwohner durch die unerhörten
Grausamkeiten der portugiesischen Sklavenhändler so in Schrecken geraten
waren, daß sie jedes weiße Gesicht für einen Nachfolger jener Gehaßten hielten.
Der von Stanley in seinem Lause verfolgte Kongo (Rio do Congo,
auch Rio do Padräo oder Zaire genannt, letztere Bezeichnung eine Ver-
stümmelung vonnzadi) durchbricht nach Vereinigung seiner Hauptquellflüsse
das dem Meeresgestade parallel laufende westafrikanische Küstengebirge,
um in die diesem Gebirge vorgelagerten Niederungen und Hügelgebiete ein-
zutreten. Dieses Bergsystem besteht aus einer ausgezeichnet entwickelten
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