1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Thomas, Louis
- Auflagennummer (WdK): 10
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
236 Die Entdeckung der Nord- und Südpolarländer.
Das Ende des September kam heran, und man suchte das Schiff in einem
sicheren Hafen zu bergen, den man in dem nach Felix Booth benannten
Boothiagolf an dem Boothialande fand. Die eingeschlossenen Seeleute
suchten sich so gut als möglich für den langen Winter vorzubereiten, sie
zerlegten die Dampfmaschine und brachten sie nebst den Kanonen und dem
Pulvermagazin aufs Land. Eine genaue Untersuchung der Feueruugs- und
Lebensmittel ergab, daß man noch zwei Jahre und zehn Monate ausreichen
könne. Der Genuß des Branntweins wurde eingestellt, da er in den kalten
Gegenden nur schädlich wirkte. Zum bessereu Schutze gegen die Kälte be-
legte man das Oberdeck des Schiffes mit einer 1 in dicken Schneelage und
begoß diese so lange mit Wasser, bis sie eine feste Eismasse bildete,
^ Darüberhin führte man ein Dach auf und umgab endlich das ganze Schiff
noch mit einer Wand von Schnee und Eis. Die Feuchtigkeit wurde vou
dem Wohnräume im unteren Verdeck durch kupferne Röhren abgeleitet, und
der Boden jeden Morgen mit heißem Sande bestreut. Eiue Wache hatte
die Aufsicht über das Verdeck zu führen, Ebbe und Flut, Wolken und
Himmelserscheinungen zu beobachten und zu sehen, ob sich wilde Tiere
oder Eingeborene zeigen würden. Um 6 Uhr ward gefrühstückt, um
12 Uhr zu Mittag und um 5 Uhr zu Abend gegessen, Thee oder Kakao
waren dabei die üblichen Getränke. Von 6—9 Uhr ward Abendschule
gehalten, des Nachts schlief man in Hängematten. Am Sonntage fand
keine Arbeit statt, dagegen wurde die Mannschaft gemustert, worauf Gebet
und Predigt folgte. Die Leute bewiesen sich sämtlich wie die Glieder
einer Familie, alle waren gefällig und freundlich untereinander und zeigten
eine musterhafte Ordnung. Die Sonne ging seit Ende des November-
gar nicht mehr auf, doch konnte man von den höchsten Teilen der Insel
herab sie noch um Mittag unmittelbar über dem Horizonte erblicken.
Über der ganzen Natur lag Ruhe und Eintönigkeit. Jeden Mittag breitete
sich ein Dämmerlicht über die Landschaft aus, daß man selbst um diese
Zeit in der Kajütte vollkommen gut sehen und im Freien sogar die kleinste
Druckschrift lesen konnte. Der Horizont zeigte die herrlichsten Farbenspiele,
besonders nach Süden hin, die Nordlichter erschienen am Himmel in
wunderbarem Glänze. Eins der schönsten wurde am 25. November be-
obachtet, gegen Mitternacht wurde es immer prächtiger und hielt bis zum
andern Morgen aus, es bildete einen dem Regenbogen ähnlichen leuchtenden
Bogen, dessen Enden aus zwei gegenüber liegenden Bergen zu ruhen
schienen. Tief am Horizonte verdunkelte sich der vorher heitere Himmel,
die Sterne wurden sichtbar in diesem Dunkel, das nach und nach ins
Braune oder Violette überging.
Die Grenze der Wölbung war ein breiter, hellleuchtender Bogen, erst
weiß, dann gelb. Die Erscheinung glich jetzt einer großen, im Ausgeheu
begriffenen dunklen Sonnenscheibe, deren Rand mit einem glänzenden,
breiten Saunte eingefaßt ist. Lichter schwebten und ragten beständig über