1894 -
Weinheim (Baden)
: Ackermann
- Autor: Kleinschmidt, Arthur
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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anderen Dinge ein. Die Büchsen mit eingemachten Speisen z. B. würden
vortreffliche Geschosse für Kanonen abgeben. Alle Eßwaren sind zu
lächerlich aussehenden festen Körpern von den verschiedensten Formen ge-
worden, sodaß wir Mühe haben, mit ihnen umzugehen und sie wie vordem
zu verwenden. Die getrockneten Äpfel sind zu einer festen Masse voll
zusammengedrängter Ecken und Winkel geworden, ebenso getrocknete Pfirsiche.
Es ist unmöglich, sie aus dein Fasse herauszubekommen; wir müssen den
Behälter sowohl wie die Früchte mit Schlägen einer schweren Axt müh-
sam auseinander hauen und am Feuer anstauen. Sauerkraut sieht aus
wie Talkschiefer und wird mittelst eines Brecheisens mit eiselierter Schneide
in einzelnen Platten unter großer Mühe losgebrochen. Ter Zucker ist
zu einem höchst drolligen Gemengsel geworden; er muß mit der Säge
losgearbeitet werden. Butter und Schweineschmalz erleiden weniger Ver-
änderung, müssen aber doch mit Meißel und Schlägel behandelt werden;
ihr Bruch ist eigentümlich muschelig. Schweine- und Ochsenfleisch sehen
mosaikartig aus und gleichen in der Gestalt versteinerten Eingeweiden;
Brecheisen und Hebebaum sind erforderlich, es in kleinere Stücke zu zer-
legen. Ter Klumpen Lampenöl, der ans den Faßdauben losgelöst wurde,
sieht aus wie eine Walze aus gelbem Sandstein, bestimmt, den Kiesweg
glatt zu walzen. Eis zum Nachtisch ist in allen Formen und Arten zu
haben; einige Moosbeeren werden mit Zncker bestreut, mit etwas Butter
und siedendem Wasser vermischt, und schnell ist wohlschmeckendes Beeren-
eis fertig. Mit einem Stück cylinderförmigen Polareises können wir einen
starken Ochsen niederschlagen, so fest ist es. Wehe depi, der sich von der
Durchsichtigkeit eines Eiszapfens verleiten läßt, ihn durchbeißen zu wollen!
Die Stücke frieren nnmeidbar an Zunge und Lippen an und nehmen
beim gewaltsamen Ablösen Hautstücke mit.
Der November ist herangekommen, die Sonne geht zum letzten Male
für uns unter, die drei Monate lange Polarnacht tritt ein. Sie hat
etwas ungemein Unheimliches für des Menschen Gemüt; in ewigem, reiz-
losem Einerlei schleicht die Zeit träge dahin, und wie düstere Schatten
legt es sich dabei auf die Seele. Tot, in schauerlicher Öde liegt die in
Schnee und Eis begrabene Gegend. Verhallt ist das Fließen und Rauschen,
das Plätschern und Tosen der Bäche und Flüsse, verstummt siud die
Stimmen der Vögel, verkluugeu ist das dumpfe Brüllen des Walrofses,
das heisere Bellen des Fuchses. Die Brandung der Wogen rauscht uicht
mehr schwellend und sterbend im ewig wechselvollen Spiel; erstarrt hängt
der Wasserfall an der eisigen Felswand, alles Pflanzenleben scheint aus
immer unter dem Schnee vergraben, für alle Zeit vernichtet zu sein. Kein
Sonnenblick färbt die Eiskoloffe mit magischem Lichte, kein Widerschein
des lebenspendenden Gestirns schimmert goldig auf deu Wassern. Ge-
stalten und Farben sind schaurig verdüstert, eiu riesiges Leichentuch verhüllt
alles, so weit unser Auge schweift. Eisig liegt die Wiuternacht darüber;
die Sterne senden, lebhast zitternd wie vor den Einwirkungen des er-
tötenden Frostes, ihr bleiches, kaltes Licht hernieder; gespensterbleich leuchten