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1. Bilder aus Amerika - S. 78

1894 - Weinheim (Baden) : Ackermann
— 78 — her; wie in stummer Trauer schaut das einfache Kirchlein darauf nieder. Die ganze Lust ist vom Geruch der faulenden Fische, die aus Gestelleu an der Küste getrocknet werden, verpestet. Wir steigen ans Ufer, barfuß laufende Kinder mit schmutzigen Gesichtern betrachten uns voll stumpf- sinnigen Staunens; zerlumpte, müßige Weiber schwatzen unablässig von Seefahrt und Stockfisch, von Tanz und Schiffahrt. Hier und in den anderen Ortschaften an der Südküste wohnen 200 000 Menschen, die ausschließlich vom Ertrag des Fischfanges leben. Neufundland kennt nur zwei Jahreszeiten: Winter und Sommer. Der Frost beginnt sein Regiment Mitte November und dauert bis ties iu den Mai. Wandern wir an einem der zahlreichen Fjords landein, so merken wir schon nach wenigen Meilen, daß das Klima im Innern wesentlich von dem an der Küste verschieden ist. Hier, im Süden, wo sich die großen Fischbänke befinden, sind schwere, nasse Nebel häufig und machen die Schifffahrt gefährlich. Hunderte vou französischen, schottischen und amerikanischen Schiffen sind angekommen, zunächst um im Frühjahre Robben zu „schlagen", dann nm den Stockfisch zu saugen. Der Robbenschlag beginnt Ende Februar. Mit einer Holzkeule auf der Schulter, woran gewöhnlich ein Bündel mit Kleidungsstücken oder Wäsche baumelt, mit Harpunen und wohl anch Flinten kommen die Jäger auf den Eisfeldern an. Durch Keulenschläge ans Kopf oder Schnauze werden die jungen Robben getötet; bald bedecken Hunderte, ja, Tausende von Seehundsleichen das Schlachtfeld; Taufende der hilflosen jungen Tiere erwarten unter entsetzlichem Geschrei den Todes- streich. Treu harren die Alten bei ihnen aus, ohne sie jedoch vor dem Tode schützen zu können. Diese Schlächterei, die alljährlich mehrere hunderttausend, ja, zuweilen eine halbe Million Hänte liefert, ist jetzt vorbei; die Zeit steht im Zeichen des Stockfisches. Alles lebt von ihm, alles dreht sich um ihn. Sein Bild prangt im Neufundländer Wappen, es ziert die Banknoten und Münzen des Landes, es ist ans den Brief- marken der Insel, ja, sogar aus deu Knöpfen an den Uniformen der Konstabler angebracht. Der Stockfisch ist Herr im Lande, er erfüllt alle Köpfe, ja, er wird sogar an Geldesstatt angenommen. Aber der Vorteil, den der Fischfang bringt, kommt wenigen mächtigen Handelshäusern zu gute; sie streichen den Löwenanteil von den 20 Millionen Dollars ein, die alljährlich mit diesem Geschäfte verdient werden. Der größte Teil der Fischer darbt im Elend; sie sind den reichen Handelsherrn meist tief verschuldet, müssen Lebensmittel und Kleider mit dem doppelten Preise zahlen, und wenn sie mit ihrer Fischausbeute kommen, nimmt man sie ihnen um ein Spottgeld ab. So schmachten sie tatsächlich in einer Art von Leibeigenschast. Außer dem Stockfische werden auch Heringe und Makralen, sowie die kleinen schmackhaften Kaplinfifche in unendlicher Menge gefangen. Das Innere Neufundlands ist meist eben, mit zahlreichen Heiden und Marschstrecken, großen Wäldern und Seen bedeckt. Hier stellen die Mikmak-Jndianer mit dem Scharfsinn guter Spürhunde dem
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