1894 -
Weinheim (Baden)
: Ackermann
- Autor: Kleinschmidt, Arthur
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Dennoch ließen sich die so grausam Gepeinigten fast niemals zu einer
Äußerung des Schmerzes hinreißen, weil sie den verhaßten Feinden da-
durch eine große Freude, ihrem Stamme und sich selbst aber Schmach
bereitet haben würden. Von frühester Jugend an gewöhnt, die ärgsten
Schmerzen stumm, mit ernster Würde zu ertragen, sangen sie unter den
furchtbarsten Qualen Sterbelieder, in denen die Gegner verhöhnt wurden.
Nachdem der Friede zwischen den streitenden Völkerschaften geschlossen
worden war, wurde das Kriegsbeil feierlich begraben und die Friedens-
pfeife geraucht. Dieses wichtige Instrument im Leben der Indianer ging
auch bei den Versammlungen der Häuptlinge am Beratungsfeuer von
Mund zu Mund. Bei feierlichen, bedeutungsvollen Gelegenheiten hielten
diese schlichten Natursöhne lange und eindringliche Reden voll kühner
Bilder und Wendungen, wie sie der gebildete Europäer kaum besser zu
halten vermocht hätte. Ihre Religion hatte etwas eigentümlich Großes
und Einfaches. Sie verehrten eiuen großen Geist als den Schöpfer aller
Dinge, als Beschützer aller Tapseren und Guten. Diese sollten, wie sie
glaubten, nach dem Tode in ein besseres Jenseits, in die seligen Jagd-
gefilde übergehen, „wo mit Vögeln alle Sträuche, wo der Wald mit
Wild, wo mit Fischen alle Teiche lustig sind gefüllt."
Das waren die Rothäute, mit denen die weißen Eindringlinge zu
thun bekamen. Staunend faheu die roten Krieger die Blaßgesichter in
ihrem Lande erscheinen. Die Fremdlinge wußteu sich für die Erzeugnisse
ihrer Heimat, namentlich für das berauschende Feuerwasser,*) schnell Land-
besitz zu verschaffen; sie kauften den Rothäuten für jene Dinge weite
Küstenstriche ab. Aber nun galt es, sich gegen die kriegslustigen Wilden
zu behaupten und sich wenn möglich in dem neuen Lande ein gesichertes
Dasein zu schaffen. So rodeten die Einwanderer denn die Wälder aus
und trieben Ackerbau auf dem überaus ergiebigen Boden, sie suchten Vorteil
aus der Fischerei und dem Pelzhandel mit den Indianern zu ziehen. Infolge
der religiösen Streitigkeiten in Europa ward ihre Zahl durch beträcht-
liche Einwanderung stark vermehrt; wer daheim uicht seines Glaubens leben
durfte, fuhr nach Amerika hinüber. Anhänger der verschiedensten Glaubens-
bekenntnisse erschienen in dem neuen Lande: verfolgte Katholiken aus Irland,
Protestanten aus der Pfalz, Mitglieder der zahlreichen Sekten in England.
Fleiß und Tüchtigkeit brachten die Kolonisten vorwärts, ihr Wohlstand ent-
wickelte sich in erfreulichster Art, doch so, daß sie einfach und tüchtig blieben.
Die laugen Kämpfe gegen die Indianer schlössen damit ab, daß diese
über die Alleghanys zurückgedrängt und daß sogar im Lande jenseits der-
selben Niederlassungen gegründet wnrden. Der Streit der Engländer mit
den Frauzoseu, die ebenfalls Kolonien in Nordamerika gegründet hatten,
erhielt dnrch die Teilnahme der Rothäute auf beideu Seiten einen un-
heimlich wildeu, blutigen Charakter. Er endete mit der Verdrängung
Frankreichs aus all seinen Kolonien um den St. Lorenzstrom. Doch nicht
*) Branntwein.