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1. Bilder aus Amerika - S. 109

1894 - Weinheim (Baden) : Ackermann
— 109 — derartigen Anstrengungen ganz vergeblich; der krankhaft gelbliche Farben- ton des Gesichts macht sich immer aufdringlicher bemerkbar, und wenn du eine juuge Frau im Anfang der zwanziger Jahre triffst, die blühende Gesichtsfarbe hat, kannst du in den meisten Fällen annehmen, daß diese Färbung nicht natürlich ist. Fast alle amerikanischen Frauen zeichnen sich durch kühlen Verstand, große Willenskraft, wagelustigen Unternehmungsgeist und in gefährlichen ^agen durch fast männliche Entschlossenheit aus. Sie sind sehr stolz, sehr selbständig und ehrgeizig; au das Weseu deutscher Fraueu gewöhnt, wunderst dn dich immer wieder darüber, wie klug diese Ladies alles be- rechnen, wie oft ihr Benehmen herzlos erscheint. Die Mädchen der vor- nehmen Familien erhalten fast durchgängig eine gute geistige Ausbildung, besser als ihre Brüder, die schon frühzeitig ins Joch des alles überwuchernden Geschäftslebens gezwungen werden. Da sie nun aufgeweckt siud und sich iu liebenswürdiger Weise zu unterhalten verstehen, kann man sich keine ange- nehmere Gesellschafterin denken als die Amerikanerin. Auch als Freundin ist sie überaus schätzbar, aber als Hausfrau beglückt sie einen deutschen Mann nur selten so, wie er's in der gemütvollen Art unseres Volkes ersehnt. Das liegt in der eigentümlichen Erziehung der Mädchen, in den Sitten und Lebensgewohnheiten, in der ganzen Stellung der Frau, einer Stellung, die nirgends in der ganzen Welt ihresgleichen hat. So sehr der Amerikaner Geschäftsmensch ist, so kühl und berechnend er in allem zu fein scheint, in einem ist er schwach, nämlich den Frauen gegenüber. Die Stellung gegen sie ist derart, daß man nicht mehr von zarter Rücksichtnahme sprechen kann; der Mann gehorcht, die Frau befiehlt. Jeder Laune der Gattin oder Tochter wird, sei sie auch noch so toll und unbegreiflich, nachgegeben, jeder Wunsch wird erfüllt, sei diese Erfüllung auch mit noch so großen Opfern verknüpft. Den Deutscheu erinnert dieses höchst eigen- tümliche Verhältnis zwischen Mann und Weib häufig an das zwischen einem Leibsklaven und seiner Gebieterin bestehende. Sie erlaubt — dann wagt er, einen Wunsch, den er hegt, einen Vorsatz, den er gefaßt hat, auszuführen; sie befiehlt — er vollbringt, was ihm znr Ausführung geheißen ward. Überall wird auf seine unbedingte Willfährigkeit gerechnet, wird seine Güte mißbraucht. Die ganze Sorge für das Bestehen und Fortkommen der Familie, für die Existenz ist auf seine Schultern geworfen. Die Frau liegt faul im Schaukelstuhl, sie empfängt oder macht Besuche, sie treibt sich in Gesellschaften umher, spielt im Salon die seine Dame, reitet auf schönem Pferde aus, oder läßt sich iu feiner Equipage spazieren fahren, während der Mann sich von früh bis spät sorgt und plagt, um die Mittel zur Bestreitung der Ausgaben zu schassen, die von der gestrengen Gattin und den sehr selbständigen und stolzen Töchtern gefordert werden, um solche kostspielige Bedürfnisse zu befriedigen. Nicht selten vermag er den Launen mit den erscharrten und ersorgten Summen nicht ganz nach- zukommen, dann muß er sich schlecht behandeln lassen und wird aus Verzweisluug darüber vielleicht zum Schelm und Diebe. Dann ist selbst-
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