1894 -
Weinheim (Baden)
: Ackermann
- Autor: Kleinschmidt, Arthur
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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inhaftierten 20 Tramps arbeiteten, um das Publikum zu täuschen, zum
Schein in einem Steinbruch; in Wirklichkeit sind sie arbeitsscheues Ge-
lichter, dem man den Aufenthalt möglichst angenehm macht, damit sie
recht bald wiederkommen und neue Gebuhren eintragen. Ihre Ver-
köstignng muß geradezu vorzüglich genannt werden. Ziehen sie vor Ab-
lauf der Strafzeit ab, so freut das die Beamten um so mehr, weil sie
dann auch noch die Verpflegungsgelder einstecken. Verbrecher schlimmster
Art aus Chicago, die im Herbst uach Dakota ziehen, nm die von der
Ernte heimkehrenden Leute zu berauben, haben ihre ganz bestimmte Reihe
von Gesängnissen, in denen sie sich nacheinander einfinden."
„Aber das sind ja schreckliche Zustände!" rufen wir aus.
„Amerikanisch," meint 'der Landsmann gleichmütig. „Wenn hier
unter den Beamten nicht so viele Schufte wären, konnten die Bewohner
auf Marmorpflaster gehen und von Gold essen, so reich ist das gott-
gesegnete Land. Übrigens sind nicht alle amerikanischen Vagabunden
Räuber und Mörder, aber unternehmend, vielseitig, verschlagen habe ich
sie sämtlich gefunden. Vor dem großen Kriege zwischen den Nord- und
Südstaaten kamen sie nur ganz vereinzelt vor; jetzt sind sie vielfach zu
einer bedenklichen Landplage geworden. Im Sommer ziehen sie auss
Land hinaus, die strenge Jahreszeit verbringen sie in den Städten. Über
Gefahren lachen sie; untereinander leben sie in Eintracht, denn alle haben
die gleichen Bestrebungen und Interessen. Einer hilft dem andern, wo
er kann. Sie finden Leute aus allen Klassen darunter: hier einen ehe-
maligen Offizier mit hohen Wasserstiefeln, dort einen vormaligen
Diplomaten, da einen herabgekommenen Kaufmann, wieder anderswo
entlaufene Zuchthäusler und sonstige Sträflinge. Wenn die Kerle im
Herbste in die Städte einrücken, gewähren sie meist einen traurigen
Anblick; zerlumpt, fröstelnd, schlotternd, schleichend betrachten sie jedermann
darauf hin, ob er wohl eine Gabe reichen werde. Sie müssen sich
zuweilen jämmerlich durchschlagen, trinken übernächtige Bierreste, stillen
den Hunger mit Brotrinden, die weggeworfen worden sind u. f. f. Aber
der Amerikaner ist merkwürdig wohlthätig und nachsichtig gegen die
Tramps; barmherzige Vereine sorgen, daß die Burschen Asyle und warme
* Suppen bekommen, und im Notfalle wenden sich diese an die Polizei-
station, oder schaffen sich an sonst einem Orte unter, der durchaus nicht
für sie bestimmt ist. z. B. in einem öffentlichen Lesezimmer. In Pitts-
bürg haben die Bürger fogar ein eigenes Heim für die schnapsduftenden,
Tabak kauenden, von Schmutz starrenden Strolche geschaffen, worin
zuweilen 400 Vagabunden gleichzeitig beisammen hocken. Bei Beginn
des Sommers schwärmen die Tramps wieder ins Land hinaus, jeder mit
einem Spiel Karten und zahlreichen Eisenbahnfahrplänen in der Tasche.
Weil zur Erntezeit auf den Farmen Arbeitskräfte selten sind, heißt man
die Vagabunden als Helser doch willkommen. Sie sind mit beim Sammeln
der Erd- und Brombeeren, beim Pflücken des Obstes und der anderen
Baumfrüchte, beim Hopfeuzupfeu, bei der Weizenernte thätig. Diese