Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Bilder aus Amerika - S. 206

1894 - Weinheim (Baden) : Ackermann
— 206 — Die Erfindungsgabe des Indianers ist gering, seine Einbildungskraft schläfrig, langsam arbeitet sein Geist; wenn man sein Wesen aber sorgsam und vorurteilsfrei prüft, wird man finden, daß er eine in jeder Hinsicht eigenartige, keineswegs unbedeutende Bildungsfähigkeit bejitzt, die ihn hoch über den Neger erhebt, wie ja anch sein würdevolles, ernstes, gehaltenes Benehmen scharf gegen die affenartige Beweglichkeit des Schwarzen ab- sticht. Der Neger kann seine Krast nicht zusammenfassen, nichts Ganzes und ihm Eigentümliches leisten; er ahmt in kindischer, an das Zerrbild des Menschen erinnernder Art nach, ihm fehlt ebenso wie der Mischlings- bevölkerung in den Städten der Ernst und die Sinnigkeit des roten Mannes. Dafür verhält sich dieser allerdings auch kalt und ablehnend, wo der Neger, der Mischling Feuer und Flamme ist. Der Indianer wird nur selten von großen Ideen begeistert, noch seltener durch sie zu rühmlichen Thaten angetrieben. Überaus reizbar und empfindlich ist er aber gegen persönliche Beleidigungen und Kräuknugen, gegen alle vermeintlichen oder wirklichen Übergriffe in seine Rechte, seine eigne Welt. Dadurch kann er zur wildesten Leidenschaft entflammt, zu heldenhaften sowohl, wie verabscheuuugswürdigeu, grausamen Thaten hin- gerissen werden. Sein merkwürdig phlegmatisches, mit sonderbarem Starr- sinn gepaartes Wesen äußert sich namentlich dann besonders auffallend, wenu mau ihn in seinem altgewohnten Thuu und Treiben stört; er will darin nicht belästigt sein und zieht sich deswegen so lange und so weit zurück, bis er glaubt, vor Störungen seines Lebens sicher zu sein. Ruhig in tiefer Einsamkeit, fern vom Treiben der Weißen, im Gebirge, im tiefen Walde, auf der Prairie, am See oder Flusse Tag für Tag ein- förmig dahinzuleben — das entspricht seinen Neigungen am meisten, ist seines Herzens Wunsch. Er fühlt sich unglücklich, sobald er uicht freien Boden unter, freien Himmel über, freie Luft um sich hat. Zn gehen oder zu bleiben nach Gefallen — das ist ihm Lebensbedingung, und dieses Verlangen nach vollkommen freier Bewegung beherrscht sein ganzes Dasein. Abhängigkeit und Dienstbarkeit haßt er von Grnnd seiner Seele, und die Einpferchung auf den sogenannten „Reservationen" wirkt aus ihn, wie eine Art andauernder Gefangenschaft — er geht langsam, aber sicher darin zu Grunde. Er will eben in allem nur sein, was er ein- mal ist, will leben, wie seine Urväter lebten. Weil er zäh am Alten hängt, haßt er das Blaßgesicht, das ihm das Altgewohnte geraubt hat. Verschlossen, vollkommen unabhängig von den Bedürfnissen und Vorteilen der Kultur, entschiedener Gegner aller Neuerungen, wendet er sich seind- selig und voller Eigenwillen von den weißen Eindringlingen und ihrer fremdartigen, ihm völlig unverständlichen Lebensführung ab; er verlangt keine Wohlthaten von ihnen, er verachtet die Vorteile ihrer Gesittung. Die Amerikaner verschreien ihn als undankbar, als unfähig zu aller edleren Denkart, zu jeder wirklichen Hingebung, als einen rohen Burschen ohne Treu und Glauben; sie thun ihm unrecht mit solchem Urteil, denn er kann von Herzen dankbar und ergeben sein, auch dem bitter gehaßten
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer