1894 -
Weinheim (Baden)
: Ackermann
- Autor: Kleinschmidt, Arthur
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die Erfindungsgabe des Indianers ist gering, seine Einbildungskraft
schläfrig, langsam arbeitet sein Geist; wenn man sein Wesen aber sorgsam
und vorurteilsfrei prüft, wird man finden, daß er eine in jeder Hinsicht
eigenartige, keineswegs unbedeutende Bildungsfähigkeit bejitzt, die ihn hoch
über den Neger erhebt, wie ja anch sein würdevolles, ernstes, gehaltenes
Benehmen scharf gegen die affenartige Beweglichkeit des Schwarzen ab-
sticht. Der Neger kann seine Krast nicht zusammenfassen, nichts Ganzes
und ihm Eigentümliches leisten; er ahmt in kindischer, an das Zerrbild
des Menschen erinnernder Art nach, ihm fehlt ebenso wie der Mischlings-
bevölkerung in den Städten der Ernst und die Sinnigkeit des roten Mannes.
Dafür verhält sich dieser allerdings auch kalt und ablehnend, wo der
Neger, der Mischling Feuer und Flamme ist.
Der Indianer wird nur selten von großen Ideen begeistert, noch
seltener durch sie zu rühmlichen Thaten angetrieben. Überaus reizbar
und empfindlich ist er aber gegen persönliche Beleidigungen und Kräuknugen,
gegen alle vermeintlichen oder wirklichen Übergriffe in seine Rechte, seine
eigne Welt. Dadurch kann er zur wildesten Leidenschaft entflammt, zu
heldenhaften sowohl, wie verabscheuuugswürdigeu, grausamen Thaten hin-
gerissen werden. Sein merkwürdig phlegmatisches, mit sonderbarem Starr-
sinn gepaartes Wesen äußert sich namentlich dann besonders auffallend,
wenu mau ihn in seinem altgewohnten Thuu und Treiben stört; er will
darin nicht belästigt sein und zieht sich deswegen so lange und so weit
zurück, bis er glaubt, vor Störungen seines Lebens sicher zu sein. Ruhig
in tiefer Einsamkeit, fern vom Treiben der Weißen, im Gebirge, im
tiefen Walde, auf der Prairie, am See oder Flusse Tag für Tag ein-
förmig dahinzuleben — das entspricht seinen Neigungen am meisten, ist
seines Herzens Wunsch. Er fühlt sich unglücklich, sobald er uicht freien
Boden unter, freien Himmel über, freie Luft um sich hat. Zn gehen
oder zu bleiben nach Gefallen — das ist ihm Lebensbedingung, und
dieses Verlangen nach vollkommen freier Bewegung beherrscht sein ganzes
Dasein. Abhängigkeit und Dienstbarkeit haßt er von Grnnd seiner Seele,
und die Einpferchung auf den sogenannten „Reservationen" wirkt aus
ihn, wie eine Art andauernder Gefangenschaft — er geht langsam, aber
sicher darin zu Grunde. Er will eben in allem nur sein, was er ein-
mal ist, will leben, wie seine Urväter lebten. Weil er zäh am Alten
hängt, haßt er das Blaßgesicht, das ihm das Altgewohnte geraubt hat.
Verschlossen, vollkommen unabhängig von den Bedürfnissen und Vorteilen
der Kultur, entschiedener Gegner aller Neuerungen, wendet er sich seind-
selig und voller Eigenwillen von den weißen Eindringlingen und ihrer
fremdartigen, ihm völlig unverständlichen Lebensführung ab; er verlangt
keine Wohlthaten von ihnen, er verachtet die Vorteile ihrer Gesittung.
Die Amerikaner verschreien ihn als undankbar, als unfähig zu aller
edleren Denkart, zu jeder wirklichen Hingebung, als einen rohen Burschen
ohne Treu und Glauben; sie thun ihm unrecht mit solchem Urteil, denn
er kann von Herzen dankbar und ergeben sein, auch dem bitter gehaßten