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1. Bilder aus Amerika - S. 382

1894 - Weinheim (Baden) : Ackermann
— 382 — Und wie freundlich, wie liebenswert benehmen sich die Chilenen, vornehm und gering, gegen den Fremdling! Manche unter ihnen erinnern schon durch ihr Äußeres daran, daß sie mit den indianischen Ureinwohnern in Verwandtschaft stehen; aber sie sind nicht weniger klug, nicht weniger mutig, als die Abkömmliuge der Europäer, und anch in Hinsicht auf körperliche Eigentümlichkeiten stehen sie denselben nicht nach; die Frauen und Mädchen zeichnen sich z. B. durch überaus zierliche Häude und Füße aus. Einen Neger treffen wir kaum ab und zu einmal ganz vereinzelt. Jenes Mischlingsgelichter, das ein Fluch für die übrigen Staaten Süd- amerikas ist, fehlt in Chile. Auffallend ist es, daß man nur zwei Stände in der ganzen Republik antrifft: Arme und Reiche; der Mittelstand, dessen Bedeutung für ein Staatswesen so außerordentlich groß ist, fehlt leider noch, oder ist wenigstens noch nicht zahlreich genug. Ebenso auffallend ist der Volkscharakter, der scharf gegen denjenigen in anderen Ländern Südamerikas absticht. Welcher Gegensatz z. B. zwi- schen dem Argentiner und dem Chilenen! Welcher noch viel krassere zwischen einem Aankee (Abkömmling der Engländer in den Vereinigten Staaten) und dem Sohne dieses gesegneten Landes in Südamerika! Der Chilene zeichnet sich durch eine ganze Anzahl von Tugenden aus, die man sonst außerordentlich selten in solcher Vereinigung findet. Es übt schon einen günstigen Einfluß aus, daß er in unbeschränkter persönlicher Freiheit auswächst; aber er wird dadurch nicht brutal und rücksichtslos wie der Abkömmling der Engländer in den Vereinigten Staaten — im Gegen- teil. Wie anständig und höflich tritt uns jedermaun entgegen! Wie be- neidenswert einfach sind diese natürlichen Menschen, von Bedürfnissen, deren Befriedigung anderwärts als unbedingt notwendig angesehen wird, vollkommen unabhängig! Wie aufopfernd gefällig erweisen sie sich, wenn man ihres Rates oder ihrer Hilfe bedarf! Wie nachsichtig, wie gastfreundlich benimmt man sich namentlich gegen den Fremden! In dem Bestreben, möglichst artig zu sein, gebraucht der Chilene allerdings manche höflich übertreibende Redensart, und es würde ihm selber unangenehm sein, wenn wir dieselbe wörtlich nehmen wollten. Er würde dann zur Leistung von Diensten veranlaßt werden, die er trotz aller Artigkeit und Gefälligkeit nur ungern erweisen würde, so wenn er nach Landesart sagt „Zu Ihrer Verfügung". Aber wir gewöhnen uns bald daran, derartige Redensarten nicht so aufzufassen, wie sie dem Wortlaute uach zu verstehen sein könnten. Immer aber berührt uns die ausnehmend feine Form, mit der man uns begegnet, ungemein angenehm. In Handel und Wandel erweisen sich die Chilenen rührig, schlau, bedächtig und selbstsüchtig, was z. B. beim Verkehr mit den wilden Arau- canern zur Folge hatte, daß diese eine üble Meinung von der Redlichkeit und Zuverlässigkeit der chilenischen Händler bekamen. Daher kaufen diese Natursöhne gegenwärtig am liebsten bei den Deutschen, weil sie von die- sen weniger übervorteilt werden. Wenn wir aufmerksam beobachten, er- kennen wir bald, daß der Chilene kein weitausschauender Kaufmann ist;
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