1914 -
Langensalza
: Beltz
- Autor: Franke, Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
L Die Alpen.
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und mehr gehen sie in die Tiefe. Oben stapelt man das Holz auf. Das ist die
Aufkehr. Die Riese besteht aus langen, glatten Holzstämmen. An der Seite
befestigt man Wehren oder Sattel, damit der hinabgleitende Stamm nicht aus-
weichen kann. In der feuchten Jahreszeit wird das Holz ausgekehrt oder hinab-
gelassen. Im Herbste rutschen die Stämme am besten, weil da die Unterlage
bereift ist.
Wurzelgräber sammeln die Heilkräuter und wagen sich dabei selbst
an die gefährlichsten Stellen. Die I a g d ernährt gleichfalls viele Älpler. Freilich
hat der einstige Wildreichtum stark abgenommen; deswegen gibt es jetzt in allen
Alpenländern strenge Schongesetze. Man darf nur zu gewissen Zeiten jagen.
Berühmt ist die G e m s e n j a g d. Die ziegenartige Gems lebt in Rudeln von
20 und mehr Stück. Auf hervorspringendem Felsen hält ein Gemsbock Ausschau.
Wittert er eine Gefahr, stampft er mit den Füßen und warnt mit gellendem
Pfiff. Behend entflieht die Herde. Von Fels zu Fels springend, flüchtet sie in
unzugängliche Klüfte. Eine Gemse springt 4—5 in und verfehlt selten den Fels.
Im Sommer ziehen sich die Gemsherden in die höheren Gebirgsstufen zurück,
im Winter gehen sie tiefer herab und suchen sich in den Wäldern ihre kümmerliche
Nahrung. Die Gemsjagd ist sehr gefährlich. Ein Gemsjäger muß an den schroff-
sten Abhängen hinklettern und über Schneefelder und Gletscher wandern können.
Im Schießen muß er äußerst sicher und gewandt sein. Die Gemsen sind ungemein
scheu. Fehlt er, dann kriegt er an diesem Tage selten eine Gemse in Schußweite.
Unwetter, Nebel und Stürme können den Jäger überraschen. Der erlegten Gemse
bindet er die Füße zusammen und hängt sie über die Schulter. So muß er den
gefährlichen Abstieg machen. Da ist es kein Wunder, wenn einer dabei verunglückt.
Schrecklich ist es, wenn er mit zerschmettertem Bein hilflos da liegt! Niemand
hört seinen klagenden Hilferuf! Ein Glück für ihn, wenn ihn jemand zufällig
findet, oder wenn seine geängstigte Gattin Retter aussendet, die seiner gewahr
werden.
Die Holzschnitzer sind namentlich zur Winterszeit tätig. Während
des Sommers sind sie Bauern, Hirten. Tagelöhner.
Die Alpen haben im ganzen keine bedeutenden Bodenschätze. Stein-
brüche gibt es natürlich genug. Man bricht Granit und Schiefer, Kalk und Marmor.
Gold und Silber findet man nur wenig. Steinkohlen sind gleichfalls nicht reich-
lich vorhanden. Braunkohlen bergen die Ostalpen in beträchtlicher Menge.
Dazu gibt es dort zahlreiche Lager von Eisenerzen. Darum ist auch dort eine
Eisenindustrie entstanden; man stellt Sensen, Messer und allerhand Handwerks-
zeug her. Außerdem findet man Blei und Quecksilber. Salz liefern vor allem
die Kalkalpen in Bayern und Salzburg, Steiermark und Oberösterreich. | y
Die Alpen erleichtern den Bewohnern das Leben nicht, im Gegenteil, sie
erschweren es ihnen vielfach recht, sie bedrohen ihr Leben, ihr Eigentum, ihre
Siedelungen. Dennoch lieben die Älpler ihre Heimat aufs höchste. Niemand
wird vom Heimweh mehr geplagt als der Älpler, niemand hat mehr Sehnsucht
nach der Heimat wie er! Ohne die himmelanstrebenden Felswände, ohne die
glänzenden Schneehäupter, ohne die tiefen Täler mit ihren grünen Matten,
ohne die tosenden Wasserfälle, ohne die spiegelklaren Seen, ohne die weidenden
Herden mit ihren lieblich schallenden Glocken, ohne das alles kann er nicht leben,
nicht glücklich, nicht heiter sein. Müssen auch viele zeitweilig in die Fremde, so
kehren sie doch so bald als möglich nach Hause zurück. In den Alpen erscheint ihnen
das Leben viel freier, viel reiner, viel vollkommener, viel herrlicher.