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1. Die außerdeutschen Länder Europas - S. 71

1914 - Langensalza : Beltz
Iii. Österreich-Ungarn. 71 stecken oder trennen. Es ist gar nicht nötig, daß die vielen Völker des Donau- reiches einen einzigen Staat bilden; sie mögen sich trennen und nun mehrere unabhängige Staaten errichten. Geht das? Das würden wohl die Habsburger, die Kaiser von Österreich, nicht zugeben. Gewiß, diese würden sich sagen, dann wäre es leicht, daß der eine nach dem andern verloren ginge. Rußland hat schon einmal nach Galizien gestrebt; Italien möchte gern Südtirol und Istrien und vielleicht auch Dalmatien; selbst das kleine Serbien würde sich Bosnien und die Herzegowina nehmen, da dort viel Serben wohnen. Darum haben die habs- burgischen Kaiser immer gesehen, die Einheit des Staates zu erhalten. Aber ganz ist ihnen das nicht gelungen. Die Madjaren haben sich losgerissen. Ungam bildet einen selbständigen Staat, nämlich seit 1867. Seitdem erstreben die Madjaren noch mehr Unabhängigkeit; sie wollen Ungarn ganz und gar mad- jarisch machen. Das können sie aber nur, wenn es ganz allein nach ihrem Kopse geht, wenn man ihnen in Wien nichts mehr zu sagen hat. Der König von Ungarn soll nur das tun dürfen, was sie ihm durch ihre Minister und ihren Reichstag vorschreiben. So liegt Ungarn immer im Streite mit Österreich. Es gibt nur noch ganz wenig, was ihnen gemeinsam ist, nämlich die Heereseinrichtungen, das Zollwesen und die auswärtigen Angelegenheiten. So erscheint Österreich- Ungarn nach außen als e in großes Reich; es ist das aber nicht ganz; denn Ungarn hat schon eigene Botschafter und Gesandte. Mn muß man das Heer auch unter- halten. Dazu gehört Geld. Natürlich müssen beide Reichshälften das Geld für den Heereshaushalt aufbringen. Nun hat aber Österreich mehr Bewohner als Ungarn. Die Madjaren wußten es dahin zu bringen, daß Ungarn am wenigsten zu zahlen hat. Das machte böses Blut unter den Österreichern. So hört der Streit zwischen hüben und drüben, zwischen den Bewohnern diesseits und jen- seits der Leitha nicht auf. Die Tschechen und die Polen wollen auch mehr Freiheit. Am liebsten möchten sie ihr Land ebenso selbständig machen wie Ungarn. Erfüllte man ihnen den Wunsch, dann kämen natürlich auch die Italiener, die Slowenen, die Kroaten, die Serben, die Rumänen. Dann zerfiele das Donaureich in viele kleine Staaten. Das alles erschwert den Leitern des Staates die Regierung. Seine Bewohner sind aufeinander angewiesen; sie leben voneinander. Ungarn sendet viel Getreide und Obst nach Österreich. Österreich versorgt Ungarn mit Maschinen und anderen gewerblichen Erzeugnissen. Doch will sich Ungarn eine eigene Industrie schaffen. Wenn ihm das gelungen ist, dann weiß man nicht, ob es da auch noch die gemein- samen Zölle aufrecht erhalten wird. Gegenwärtig bilden Österreich und Ungarn eine Wehr- und Wirtschaftsgemeinschaft unter einem einzigen Herrscherhause. Im übrigen ist es ein Doppelstaat. Was ist nun für uns das beste? Österreich ohne Galizien und Dalmatien hat lange zum Deutschen Bunde gehört. Es ist darum auch am deutschesten. Selbst die Tschechen haben viel Deutsches angenommen: darum stehen sie auch unter allen Slawen am höchsten. Wenn in Österreich-Ungarn die Slawen die Oberhand gewönnen und das Deutschtum ganz und gar zurückdrängten, dann wäre das für uns ein gefährlicher Nachteil. Schon jetzt liebäugeln die Tschechen und Polen mit den Franzosen. Sie sind keine Freunde des Deutschen Reiches: sie würden es gern sehen, wenn das Deutsche Reich zertrümmert würde. Österreich-Ungarn hat 1879 mit dem Deutschen Reiche ein Schutz- und Trutzbündnis geschlossen. Damals fürchtete sich dies vor Rußlands Angriffen. Gs gibt aber außer den Tschechen noch andere Slawen, die dies Bündnis be- kämpfen und dafür verlangen, Österreich-Ungarn solle mit Rußland und Frank-
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