1914 -
Langensalza
: Beltz
- Autor: Franke, Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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X. Das Kaiserreich Rußland.
bewohnt, wie z. B. von den Kalmücken und Kirgisen. Sie leben
in Zelten und widmen sich der Zucht ihrer Pferde, Kamele usw.
Das Land an der Küste des Schwarzen Meeres ist besser bebaut. Hier
sind auch einige bedeutende Städte aufgeblüht, z. B. Odessa, Cherson
usw. Odessa, fast so groß wie Breslau, ist die wichtigste See- und
Handelsstadt am Schwarzen Meere. Es führt viel Getreide, Häute, Hanf,
Flachs, Talg, Schafe und Holz ans. Die Halbinsel Krim streckt sich weit
ins Meer vor. Ihr nördlicher Teil ist eine dürre Steppe, aber ihr südliches
Gestade ist ein fruchtbarer Garten. An dem Gebirge regnen sich die Wolken
ab, es mangelt daher nicht an Mederschlägen. Die Nordwinde haben keinen
freien Zutritt, das Wetter ist deshalb mild. Hier gedeihen nicht allein die
Obstbäume und die Reben, sondern auch die Zypressen, Mandel- und Myrten-
bäume, Ol- und Orangenbäume. Wichtig ist, daß die Insel auch reiche
Eisenerzlager birgt. An der Südwestküste liegt der Kriegshafen Sewa-
stopol.
12. Rußlands Witterung.
Rußland hat eine große Ausdehnung von Westen nach Osten und von
Süden nach Norden; es reicht vom 45. Breitengrade bis über den 70. hin-
aus. Das sind 25 Breitengrade oder 25 mal 15 = 3750 Kilometer. Sewa-
stopol liegt ebenso südlich wie Triest oder Bordeaux; die nördlichsten Bezirke
liegen jenseit des Polarkreises. Daher muß es in Rußland große Unter-
schiede in der Wärme und Witterung geben. Bei Sewastopol auf der süd-
lichen Küste der Krim beträgt das Jahresmittel 12 Grad Wärme, in den
kältesten Tundren sinkt es bis auf 8 Grad Kälte; das ist ein Unterschied von
20 Grad im Jahresdurchschnitt! Aber Rußland hat überhaupt starke Gegen-
sätze in Wärme und Trockenheit. Es hat Binnenklima mit kalten Wintern
und heißen Sommern. In Moskau z. B. hat der wärmste Monat 19 Grad
Wärme und der kälteste Monat 11 Grad Kälte, das sind 30 Grad Unter-
schied. Bei uns ist der Unterschied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat
vielleicht 15—20 Grad. Noch viel größer sind die Schwankungen zwischen
dem wärmsten und kältesten Tage oder zwischen der höchsten und tiessten
Temperatur. Diese steigen bis auf 50—70 Grad und mehr. Moskau hat
dieselbe Januarkälte wie Haparanda, aber dieselbe Juliwärme wie Paris. Die
Winter Petersburgs sind nur wenig kälter als die Astrachans, die Winter Arch-
angels nicht viel kälter als die Orenburgs. Die Meere sind zu weit ent-
fernt, als daß sie das Binnenklima mildern könnten. Wir haben im Winter
vorherrschend westliche Winde, sie bringen Wärme von: Meere und Golfstrom.
Sie sind am wärmsten an den englischen, französischen, holländischen, deut-
schen, dänischen und norwegischen Küsten. Je weiter sie nach Osten gelangen,
desto mehr haben sie ihre Wärme verloren; endlich sind sie bis unter den
Nullpunkt abgekühlt. Je weiter wir nach dem östlichen Rußland kommen,
desto kältere Winter und desto niedrigere Temperaturen gibt es da. Wenn
aber das Quecksilber auf 30 bis 40 Grad fällt und endlich erharrt, dann
heißt es seine Nase und seine Ohren nebst den Füßen und Händen in acht
nehmen. Es gibt tm nordöstlichen Rußland manchen Bezirk, wo es kaum
einen erwachsenen Menschen gibt, der nicht schon seine Nase oder seine Ohren
einmal erfroren hätte. Da reibt man sich die frierenden Glieder mit Schnee;
die Bekannten rufen sich beim Vorübergehen zu: „Väterchen, Eure Nase!"
Da wundern wir uns rächt, wenn man vielfach nicht bloß Doppelfenster hat,