1914 -
Langensalza
: Beltz
- Autor: Franke, Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
X. Das Kaiserreich Rußland.
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russen betrachten die Großrussen als ihre Unterdrücker, auch die Polen mögen
sie nicht leiden. Sie möchten gern wieder frei werden.
Die Kosaken sind auch großrussischer Abstammung, sie bestanden ur-
sprünglich aus Flüchtlingen, welche sich in die südrussische Steppe geflüchtet
hatten, um der Bestrafung zu entgehen.
Die Großrussen zahlen etwa 60 Will., die Kleinrussen gegen 24 Mill.,
die Weißrussen bloß 6 Mill. Die Kleinrussen könnten daher auch heute noch
ein eigenes Staatswesen bilden. Klein- und Weißrussen sprechen eine andere
Sprache als die Großrussen; doch sind diese drei Sprachen nahe verwandt.
In Rußland leben weiter Polen. Sie nehmen zumeist das Weichsel-
gebiet ein, doch wohnen sie auch noch in Litauen, am Njemen, in Wolhynien
zwischen Galizien und dem Pripet, in Podolien am Dnjestr, wie in Galizien
und in der deutschen Ostmark. Insgesamt mag es gegen 17 Mill. Polen geben.
Davon leben in Rußland gegen 9 Mill. Die Polen gehören schon den West-
slawen an, während die Groß-, Weiß- und Kleinrussen Ostslawen sind. Die
Polen sind groß und kräftig und ähneln schon mehr den Deutschen, mit denen
sie sich vielfach vermischt haben. Doch sind viele dem Trunk und Spiel sehr
ergeben. Dabei haben sie Hinneigung zu Leichtsinn, Unstetigkeit und Unsauber-
keit wie die Russen. Der polnische Adel liebt das Französische Mehr als das
Deutsche, ja das Deutsche haßt er. Das polnische Volk ward vom Adel in Armut
und Knechtschaft gehalten. Darum bestehen die polnischen Dörfer noch heute
zumeist aus elenden, mit Stroh oder Schilf gedeckten Holzhütten und Lehm-
wänden. Doch nehmen schon viele Polen manches von den umwohnendere
Deutschen an. Dazu arbeiten auch viele Polen und Ruthenen während des
Sommers auf deutschen Gütern und lernen da vieles, was sie dann zu Hause
nachmachen. Sie bringen auch viel Geld mit nach Hause.
Östlich von Ostpreußen wohnen Litauer und Letten. Sie zählen
etwa 3 Mill. und sind den Slawen verwandt; man nennt sie darum auch Letto-
slawen. Sie sitzen zwischen Deutschen und Russen vor allem zwischen Memel
und Dürra.
In Rußland leben auch viele Germanen. Sie zerfallen in Schwe-
den und Deutsche. Die Schweden leben in Finnland; dies gehörte früher
lange zu Schweden. Die Deutschen wohnen zunächst in den Ostseeprovinzen,
vornehmlich in Kurland, Livland und Esthland, weniger in Jngermanland. Deutsche
Kaufleute gründeten Riga; dann kamen deutsche Ritter ins Land und schufen
hier ein deutsches Ordensland. Noch heute sind die meisten Großgrundbesitzer
Deutsches auch die Bürger der meisten Städte bestehen vorwiegend aus Deut-
schen. Die deutsche Sprache wird überall gebraucht. Es gibt deutsche Schulen
und deutsche Kirchen, deutsche Vereine und deutsche Gesellschaften. In Polen
wie auch in Riga, Dorpat, Dünaburg, Libau, Mitau usw. leben sehr viele
Deutsche, namentlich in den Städten (Lodz, Warschau usw.). Deutsche finden
sich auch in vielen andern Städten Rußlands, in Petersburg, Moskau, Odessa
usw. Die russischen Zaren haben auch viele deutsche Bauern aus Württem-
berg, Baden usw. ins Land gerufen und angesiedelt, z. B. von Wolhynien an
bis nach der Wolga bei Saratow und Sarepta. Sie haben große Sumpslän-
dereien trocken gelegt und urbar gemacht, besonders am Pripet; sie haben bei
Odessa, sowie in Bessarabien südlich vom Dnjestr mitten im Steppenlande
vrele blühende Bauerndörfer gegründet. Selbst bis an und in den Kaukasus
sind sie vorgedrungen. Auch bei Petersburg gibt es schmucke deutsche Bauern-
dorfer. Wir finden Deutsche als Offiziere, als Gelehrte, als Arzte, als Apo-