1914 -
Langensalza
: Beltz
- Autor: Kubbe, Karl
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Heimat in kindlicher Auffassung.
Frau Werner schon auf den hos Kommen. Sie hat einen Wasserträger
über die Schultern gelegt, an dem sind zwei Eimer. In denen schwimmen
die Fische. (D, wie sie zappeln, große und Kleine. Mir hat Frau Werner
schon oft einen Kleinen geschenkt. Den habe ich dann in unser großes Fisch-
glas gesetzt. „Fische, frische Fische," so ruft die gute Frau mit starker,
heller Stimme über den hos. Ich schicke sie zu meiner Mutter.
Li, jetzt kommt ein Leierkastenmann! Rasch hat er seine Drehorgel
ausgestellt und beginnt nun, ein lustiges Stücklein zu spielen. Es dauert nicht
lange, so öffnen sich die Fenster und die Leute werfen dem Manne Geld-
stücke zu, die in Papier gewickelt sind. Jedesmal, wenn eins auf die Steine
des Hofes klappt, bedankt sich der Leierkastenmann. Er legt die Hand an
die Mütze und blickt grüßend nach dem Fenster, aus dem das Geldstück ge-
warfen wurde. Wir Zungen wickeln das Geld aus dem Papier und legen
es dem Manne auf die Grgel. Es ist schon ein stattlicher Hausen. Hier und
da liegt ein Fünspsennigstück, das übrige sind Pfennige. Bald kommen
ein paar Dienstmädchen aus dem Vorderhause und fangen an, nach der
Musik zu tanzen. Kls die Grgel ein bekanntes Lied spielt, singen wir alle
mit. Ei, das macht aber Spaß! Rch, wie schade ist es, daß der Leierkasten-
mann jetzt mit der Musik aufhört! Er hängt sich die Grgel über die
Schulter, klappt das Gestell zusammen und verläßt den Hof. Wir wollen
ihn gerne noch hören und gehen darum mit ihm in das nächste Haus hinein.
Es ist gegen Mittag. Jetzt kommen viele Leute auf den hos, die ihre
Ware anpreisen. Zuerst tönt es: „Heidelbeeren, Heidelbeeren!" Dann kommt
ein Mann mit einem Wagen, auf dem sind Kartoffeln, Gurken, Kohl,
Spargel und anderes Gemüse. Die Mutter schickt mich mit einem Korb hin
und läßt mich fünf Pfund Kartoffeln kaufen, die wir zu Mittag essen
wollen. Nach einer Weile ruft ein Mann: „Kirschen, billige Kirschen!"
5lch, da kommt ein armer Junge mit Fliegentüten! Wie müde und elend
sieht er aus! Sein Stock ist noch ganz voll. Er hat gewiß noch keine
Tüte verkauft und ist doch den vormittag herumgelaufen. Ich werde
Mutter fragen, ob sie ihm nichts abkaufen will. Das paßt aber fein, daß
sie gerade zwei Fliegentüten gebraucht. Ich schicke den Jungen zu ihr
hinauf.
Jetzt kommt der Vater von der Rrbeit zum Mittagessen heim. Ich
springe ihm entgegen. Dann gehen wir beide hinauf zur Mutter, die das
schöne Essen schon auf den Tisch gestellt hat. Ich habe aber auch großen
Hunger und Vater gewiß auch.
60. Aus dem Hauptbahnhos.
Gnkel Fritz aus Leipzig will uns nun heute wieder verlassen, und
wir wollen ihn nach der Bahn bringen. Damit wir den Zug nicht verpassen,
gehen wir rechtzeitig fort.
Die Zeiger der großen Uhr zeigen aus vier, als wir die Bahnhofshalle
betreten. Ist hier aber ein Leben und Treiben! So viele Menschen habe
ich noch nicht oft beieinander gesehen. Es ist zu Beginn des Julis, des Reise-
monats. Da ist der Verkehr immer am stärksten. Nur mit Mühe können wir
uns einen Weg nach der Fahrkartenausgabe bahnen, wo sich der Gnkel
eine Karte löst. Weil wir den Gnkel bis auf den Bahnsteig bringen wollen,