1913 -
Gießen
: Roth
- Autor: Backes, Karl
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Kreis Groß-Gerau
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Kreis Groß-Gerau.
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stand, der sich auch der Pflege der Viehzucht in hervorragender weise an-
nahm. Simmentaler Tiere reinster Rasse werden hier gezüchtet, und durch
alljährlichen Ankauf hervorragender Zuchttiere in der Schweiz werden
die Bestände stets edel gehalten. (Ein Zuchtviehmarkt in jedem Frühjahr
wird von weither besucht. Milch wird täglich in großen Mengen nach
Mannheim gefahren. Zwei vrahtwarenfabriken mit Schlossereien be-
schäftigen am (Drte selbst mitunter recht zahlreiche Arbeiter, viele gehen
nach den Fabriken im nahen Gernsheim, viele sind auch im Eisenbahn-
dienst beschäftigt. — Die gesamten niederen Ufer längs des Rheines sind
reich an Wildenten. Daher legte Georg I. bei Liebesheim einen ,,Enten-
fang" an. Eine große Fläche Landes, im Volksmund ,,die Bütt" genannt,
war unter Wasser gesetzt. Seitlich führte von diesem Teich ein Graben von
etwa 50 m Länge, der mit einem Drahtnetze überspannt war. Zahme
Enten wurden auf dem Teiche als Lockenten gehalten. Besonders in der
Nacht nahmen die herbeigelockten Wildenten im Graben Aufenthalt,
wurde morgens das Falltor am Eingang abgelassen, so konnten
die abgeschlossenen Tiere gefangen werden. Mehr als 1000 Enten
wanderten alljährlich in die Hofküche nach Darmstadt. Jetzt ist die
„Bütt" eine Wiesenfläche. Rls sie noch Teich war, trieben die Oppen-
heimer Reichsbürger häufig dort Fischraub. Dieter Iii. von Katzeneln-
bogen legte gegen sie eine Feste an, den späteren Lusthäuser Hof. Die
„Lusthäuser Brücke" führt jetzt noch über den Eingangsgraben zum „Hof-
platz". Roch zur Zeit des 30jährigen Krieges hatte die Gemeinde einen
Zehnten an wein zu liefern.
6. Gernsheim, am Südende des Kreises, war früher Lorscher und
bis 1803 kurmainzischer Besitz. Daran erinnert außer dem religiösen
Bekenntnis der Bewohner (von den 4200 Einwohnern sind etwa 6/7 katho-
lisch) auch die ehemalige kurfürstliche Faktorei mit dem Mainzer Wappen.
Die evangelische Kirche wurde erst im Jahre 1900 erbaut. Das rechte
Rheinufer ist gerade in dieser Gegend nicht von Altwassern durchsetzt und
durchfeuchtet' darum konnte sich hier unmittelbar am Strome die alte
Niederlassung günstig entwickeln. In einem hübschen, geräumigen, neuen
Hafen werden Kohlen, Steine, Zuckerrüben und andere Frachtgüter ein-
und ausgeladen. Personendampfer legen an und geben Gelegenheit zu
Reisen nach Mannheim, Mainz und weiter stromabwärts. Gernsheimer
Schiffer reisen mit eigenen Frachtfahrzeugen aufwärts bis Straßburg,
stromabwärts bis in die Niederlande; andere Bewohner leben vom Ertrage
des Fischfangs. Die Eisenbahn vermittelt raschen und leichten Verkehr mit
den nahen Städten. Zwei chemische Fabriken, eine Zucker- und eine Mal^-
f^brik geben Arbeitern Gelegenheit zum Verdienste am Ort. Gernsheim ist
Sitz eines Amtsgerichts und einer Oberförsterei. Für die Realschule wurde
1909 bis 1911 ein stattlicher Reubau errichtet. Zum Wallfahrtsort Maria