1906 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Wünsche, Alwin
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Vogtland. 71
Städte an der' alten Reichsstraße Reichenbach, Mylau und Netzschkau,
während abseits gelegene Orte wie Mühltroff und Pausa in der Ent-
Wicklung zurückgeblieben sind.
1. Die Verarbeitung von Perlmutter.
a) Die Perlenfischerei. Eine Perle entsteht in der sog. Perlmuschel da-
durch, daß ein Sandkorn zwischen.igchafttnnd Mantel gerät, einen Reiz ausübt und
von harten Verlmutterschichten eingehüllt wird; der Prozeß dauert mehrere Jahre,
.vriihcr war das Flußbett der oberen Elster aeradeul mit Perlmuscheln gepflastert,
denn da fand die Muschel noch hinreichend reines Wasser und Ruhe, obwohl
sie auch schon oft durch die Holzflößerei und das Einfließen des Wassers aus
den Hammerwerken in ihrem Gedeihen gestört wurde. Heute ist aber die Ver-
unreinignng der Elster und ihrer Nebenflüsse durch Abwässer aus Fabriken außer-
ordentlich groß, nicht nur im unteren Vogtlande, wo z. B. 60 Fabriken und
Mühlen allein an der Göltzsch stehen, sondern auch im oberen. Zwar reinigt
sich das Flußwasser bei den Stauwehren, hinter denen sich der Schmutz sängt,
immer wieder einigermaßen, aber die Zeit der Perlmuscheln ist doch vorüber;
dazu kommt auch noch der durch Abholzung und Entwässerung großer Strecken
viel ungleichmäßiger gewordene Abfluß des Wassers, wodurch die Muschel keine
gleichmäßige Nahrungszufuhr mehr erhält. So ist die Perlenfischerei heute von
gar keiner wirtschaftlichen Bedeutung mehr. Nach mehrjähriger Schonzeit der
Muscheln wurden im Jahre 1904 nur 69 Perlen, und darunter viele unbrauch-
bare, gefunden, deren Wert nur einige hundert Mark betrug. Als geschichtliche
Eigentümlichkeit des Vogtlandes wird die Perlenfischerei noch nicht ganz eingestellt,
obwohl sie kaum die Betriebskosten deckt.
d) Die Fabrikation der Perlmutterwaren. Dafür ist Adorf durch
seine Lage an dem perlmuschelreichsten Teile der oberen Elster der Hauptsitz geworden.
Die Verarbeitung erstreckt sich uicht auf die Perlen, sondern auf die Muschelschalen.
Diese werden aber heute fast alle kistenweise von: Meere oder von böhmischen
und bayrischen Flüssen, in denen die Muschel noch gedeiht, hergebracht. M
werden hergestellt Geldtäschchen. Knöpfe. Broschen. Bilderrahmen, Bürstenrücken,
Messergriffe, Einlagen in die Deckel von Kästchen und Albums und in Tischplatten.
c) Die Herstellung eines Portemonnaies aus einem Paar Muschel-
schalen vollzieht sich in folgender Weise: 1. Von den Schalen wird die äußere,
schwarze Schicht auf einem Schleifsteine soweit abgeschliffen, daß die eigentliche
Perlmutter zum Vorscheine kommt. 2. Nun werden die beiden Schalen an ihren
Rändern ringsherum so glatt geschliffen, daß sie, wenn man sie wie zwei hohle
Hände aneinanderlegt, genau aufeinanderpaffen. 3. Darauf werden die erst grob
abgeschliffenen Außenseiten ganz glatt poliert. 4. Dann endlich werden die beiden
Hälften so verbunden, daß sie sich auf- und zuklappen lassen, worauf die metallnen
Beschläge angenietet und die Fächer eingesetzt werden. Die Perlmutterindustrie
ist in Adorf und Umgegend zu einem großen Teile noch Haus- und Familien-
arbeit nach Art der Spielwarenerzeugung, doch die meiste Ware wird auch be-
reits in Fabriken hergestellt. Eine Menge Perlmuttersachen wird alljährlich im
nahen Bad Elster als Andenken verkauft.
2» Die Fabrikation von Musikinstrumenten.
a) Geschichtliches. Dieser Erwerbszweig ist, wie schon erwähnt, aus
dem benachbarten Böhmen nach dem Vogtlan.de verpflanzt worden. In
dem böhmischen Grenzstädtchen Schönbach war von alters her die Geigen-