1910 -
Stuttgart
: Holland & Josenhans
- Autor: Hörle, Emil
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Platz, dessen schönster Schmuck das neue Rathaus bildet. Auf dem
alten Schloßplatz, zwischeu der ehrwürdigen Stiftskirche und dein
alten Schlosse, erhebt sich das Denkmal unseres großen Dichters Schiller,
und auf dem Karlsplatz steht das Reiterstandbild Kaiser Wil-
Helms I. Am Anfang der langen Neckarstraße liegt der Wilhelms-
Palast, die Wohnung unseres Königs. Iu dieser Straße sind auch die
großen Sammlungen Stuttgarts: die Naturaliensammlung, die
große Landesbibliothek mit mehr als 500 000 Büchern und die Ge-
mäldesammluug. Hinter der Landesbibtiothek erhebt sich das mächtige
Justiz g ebäude. Eines der großartigsten Bauwerke Stuttgarts ist das
Landesgewerbemuseum an der Schloß- und Kanzleistraße, in dessen
Sälen alte und neue Erzeugnisse des Gewerbefleißes ausgestellt siud. Unter
den Kasernen der Stadt ist die große Infant er iekaserne an der
Rotebühlstraße die größte. Auf einer Halbinsel des Feuersees erhebt sich die
schöustgelegeue Kirche Stuttgarts, die herrliche Johanneskirche. Unter
den katholischen Kirchen ist die gotische Marienkirche die schönste.
Stuttgart ist aber auch eine Stadt der Schulen. Neben
vielen Volks- und Mittelschulen hat es höhere Mädchenschulen, Realschulen,
Gymnasien, eine Baugewerkschule, eine technische Hochschule, ein höheres
Lehrerinnenseminar, eiue tierärztl. Hochschule, eiu Konservatorium für Musik,
eine Kunstschule, eine Kunstgewerbeschule, Handelsschulen, eiue Fraueuar-
beitsschule usw. Außerdem dienen der Geistesbildung die Theater, allen
voran das Königl. Hostheater, die verschiedenen wissenschaftlichen Samm-
lungen, die vielen, namentlich winters stattfindenden Konzerte, Vorträge usw.
Stuttgart hat ferner eine bedeutende Industrie/ Es ist
zwar keine rußige, rauchumnebelte Fabrikstadt, doch hat es bedeutende
Maschinenfabriken, Trikotwebereien, viel Möbelindustrie und Klavier-
fabrikation. Außerdem ist Stuttgart der größte Buchdruck- und Buchhandels-
Platz Süddeutschlands.
Für den Verkehr war Stuttgarts Lage iu einem abgeschlossenen Tal-
kessel wenig günstig. Die Stadt verdaukt ihr Emporkommen rein der
Fürsorge der lvürtt. Landesfürsten und der Rührigkeit ihrer Bewohner.
Durch Tunnels führen die wichtigsten Eisenbahnen des Landes herein: die
württ. Hauptbahn von Bretten nach Ulm und Friedrichshafen, die Gäu-
bahn, die Schwarzwaldbahn, die Remsbahn, die Murrbahn, die obere und
die untere Neckarbahn. Den Verkehr mit der Filderebeue vermittelt die
Zahnradbahu nach Degerloch. Elektrische Bahnen durchkreuzen die Stadt
nach allen Richtungen und führen auch iu die Vororte hiuaus. Längst schon
reicht der Hauptbahnhos, auf dem täglich mehr als 200 Personenzüge ein-
und ausfahren, für den gewaltigen Verkehr nicht mehr, weshalb ein neuer
Riesenbahnhof im Bau ist. Die 270 000 Einwohner brauchen täglich eiue
Meuge vou Lebensmitteln, die vom Gäu, vom Langen Feld und Schmidener
Feld, von der Filderebene, dem Neckartal und noch weiterher nach Stuttgart
kommen. Stuttgart ist eiue gute Absatzstelle für das ganze
Land. Erzeugnisse der Industrie kommen nach Stuttgart herein, und um-
gekehrt werden Stuttgarts Industriewaren hiuaus verschickt. Die Eisen-
bahnen bringen aus allen Himmelsgegenden die Rohstoffe (Eisen, Holz,
Baumwolle usw.) für die Fabriken, und Taufende von fleißigen Arbeitern
und Arbeiterinnen kommen in der Morgenfrühe aus der ganzen Umgegend